Nahezu jeder im Höhengebiet kennt die kleinen Kängurus vom Großendrescheid. Drei kleine Wallabys leben am Gasthof Spelsberg. Tochter Kristine und ihr Mann hatten eins geschenkt bekommen - und weil die Tiere nicht gerne alleine leben, kamen direkt noch zwei weitere hinzu. Doch nun ist eins weg. Michel. Und der sorgt für ordentlich Wirbel.
Was ist denn am Drescheid los? Die Frage aller Fragen. Denn Fernsehteams und Menschen mit Ferngläsern sind überall zu sehen. Der Grund ist einfach: Wallaby Michel ist entwischt und überraschte am Morgen die Autofahrer auf der Straße. Die staunten nicht schlecht, als sie das Tier am Straßenrand entdeckten. Sie riefen die Polizei, die rückte an und die Mission lautete: "Tier sichern." Davon hielt Michel nicht besonders viel und hüpfte auf und davon.
"Unterhalb vom Großendrescheid hüpfte heute Morgen ein Känguru über die Straße Mühlenbach. Autofahrer informierten gegen 6.20 Uhr die Polizei über die ungewöhnliche Beobachtung. Eine Streifenwagen-Besatzung bestätigte die Beobachtung", heißt es in einer Mitteilung der Polizei. Die Beamten hätten kurz versucht, das Tier zu fangen. Doch mit großen Sprüngen verschwand es auf dem nächsten Feldweg. "Eine Rücksprache mit dem Ordnungsamt ergab, dass der Ausreißer schon bekannt ist: Es handelt sich um ein Wallaby, das eigentlich am Großendrescheid lebt. Der Besitzer hatte den Ausbruch bereits am Vortag gemeldet", berichtet Christof Hüls, Sprecher der Polizei, in seiner Meldung weiter.
Die Wallabys vom Großendrescheid sind zwar Menschen gewöhnt, leben aber in einem großen, artgerechten Gehege und sind folglich nicht zahm. Das macht das Einfangen schwierig. Der Appell an alle Anlieger und Autofahrer lautet daher: Bitte keine Einfangversuche. Die würden das scheue Tier nur noch weiter treiben. Aktuell hält es sich relativ in der Nähe auf. Eine Gefahr geht von dem Wallaby nicht aus. Und Michel selbst ist auch nicht akut in Gefahr. Er findet genug Nahrung. Wallabys sind Pflanzenfresser, die sich hauptsächlich von Gras ernähren. Sie können aber auch andere Pflanzen wie Blätter, Kräuter und sogar Wurzeln zu sich nehmen. Je nach Art und Lebensraum können auch Rinde, Knospen, Früchte und bestimmte Pflanzen wie Farne auf dem Speiseplan stehen. Vermutlich befindet er sich bei der aktuellen Vegetation also eher im Schlaraffenland. Auch Wasser ist durch die Bäche ausreichend vorhanden.
Das einzige wirkliche Problem ist der Verkehr. Autofahrer sollten daher rund um den Bereich Großendrescheid besonders vorsichtig fahren. "Da spielt uns in die Karten, dass in der Mühlenbach aufgrund von Straßenschäden aktuell Tempo 30 ist. Das ist dann schon sicherer", berichtet Kai Spelsberg, der sich um die zahlreichen Medienanfragen kümmert.
Wie das Wallaby letztlich eingefangen wird, ist noch unklar. Im Raum steht unter anderem eine leichte Betäubung. "Das Problem ist auch, dass Wallabys dämmerungs- und nachtaktiv sind. Das heißt, jetzt wird man es vermutlich gar nicht sehen. Die im Gehege liegen auch einfach da und schlafen", erzählt Kai Spelsberg. Für den Abend sind bereits zahlreiche Helfer zusammengetrommelt worden. Nachbarn, Feuerwehrkollegen, befreundete Jäger und Landwirte werden dabei sein. "Wir besetzen dann alle Punkte im Bereich Mühlenbach, wo man bei Dunkelheit etwas sehen kann und hoffen, dass wir es dann finden und nah genug dran kommen", sagt Spelsberg. Ein Helfer darf Tiere mittels Blasrohr betäuben. Ein weiterer wird ein großes Netz werfen. Allerdings müsse man dafür schon bis auf 10 bis 15 Meter an Michel herankommen.
"Im Gehege kommen wir oft so bis auf zwei Meter ran. Manchmal sind ihnen aber auch schon 20 Meter zu nah. Da muss man einfach sehen, wie es klappt", sagt Kai Spelsberg. Hinterher rennen wird auf jeden Fall nichts. Denn ein Wallaby auf der Flucht erreiche bis zu 65 Stundenkilometer.


So schnell aufgeben möchte die Familie nicht. "Ein paar Tage werden wir es auf jeden Fall probieren", betont Kai Spelsberg. Dass Michel alleine zurück zu seinen Kumpels kommt, gilt als eher unwahrscheinlich. "Wallabys leben gerne alleine, schließen sich temporär aber auch gerne zu kleinen Gruppen zusammen", erklärt der Eigentümer. Es sei also nicht wie bei einer Kuh oder einem Pferd, die automatisch nach Anschluss zu Artgenossen suchen. Den ganzen Tag schon hält das Tier die Familien auf Trab. Daher hat der Gastronom und Chef der Altenaer Feuerwehr kurzerhand den Job des Pressesprechers bekommen. Mit dem Kinderwagen ist er aktuell selbst auf der Suche nach Michel. Dabei hat er das Handy am Ohr und spricht mit Medienvertretern, Behörden und Helfern.
Wer Wallaby Michel sichtet, sollte sich nicht nähern. Auch Sichtungen müssen im Bereich Mühlenbach nicht mehr gemeldet werden. "Sollte er plötzlich in anderen Bereichen gesehen werden, natürlich schon. Aktuell ist er aber hier in der Nähe", sagt Spelsberg. Damit das Tier nicht vertrieben wird, sollten Such- und Einfangversuche unterlassen werden.