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Hetze gegen Andersgläubige, Hass auf Homosexuelle und Verschwörungstheorien: Hinter der verschlossenen Wahlkampffassade der AfD Halver finden sich in der Top-10 mindestens zwei Kandidaten mit extremistischen Ansichten. AfD-Bürgermeisterkandidat Marc Borlinghaus und der Gebietsverband distanzieren sich nun deutlich: "Solches Gedankengut hat keinen Platz in der AfD."

Der Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Bürgermeister- ebenso wie Wahlkreiskandidaten präsentieren sich live und digital. Vorstellen, zuhören, ins Gespräch kommen, in Erinnerung bleiben – das ist das Credo nahezu aller Kandidaten. Sie klingeln an Haustüren, laden zu Donuts, Eis oder Grillwürsten ein, zeigen sich und ihre Inhalte im Internet und in den sozialen Medien. Eine Ausnahme bildet ganz offensichtlich die AfD.

Die Alternative für Deutschland möchte im September erstmals in den Halveraner Stadtrat einziehen und stellte im Mai eine Liste auf. Auf dem offiziellen Pressefoto – die Veranstaltung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt – zeigten sich jedoch nicht alle Kandidaten, die sich auf die AfD-Liste setzen ließen. Auch die derzeitige Vorstellung aller Wahlkreiskandidaten mit Foto bei LokalDirekt und anderen Medien lehnt die AfD ab. Kein Bild, möglichst wenige persönliche Angaben.

Wer trotzdem etwas über die Kandidaten herausfinden möchte, die ab September die Bürger im Stadtrat vertreten wollen, muss selbst auf die Suche gehen. Vor dem Bürgermeister-Interview mit Marc Borlinghaus, das am 12. August geführt wurde und am 17. August erschien, schaute sich die LokalDirekt-Redaktion die AfD-Kandidaten aus Halver genauer an und recherchierte im Internet, was über die möglicherweise zukünftigen Ratsmitglieder herauszufinden ist.

Mit den zum Teil verstörenden Ergebnissen einiger Kandidaten konfrontierte LokalDirekt Marc Borlinghaus im Interview. Auf die Frage, ob er wisse, mit welchem Team er da in den Wahlkampf gehe, stellte er sich zunächst schützend vor seine Kollegen, versprach jedoch, sich der Vorwürfe anzunehmen, diese gemeinsam mit dem Kreisverband prüfen zu wollen und gegebenenfalls Schritte gegen die betroffenen Kandidaten einzuleiten. Eine Autorisierung dieses Gesprächsteils für das Interview erteilte er nicht. Die LokalDirekt-Redaktion kündigte jedoch an, das Thema weiter aufzugreifen und nachzufragen.

In der LokalDirekt-Recherche waren es vor allem zwei Kandidaten– einer von ihnen unter den ersten fünf der Reserveliste –, die durch hetzerische, islam- und ausländerfeindliche Parolen sowie durch öffentlichen Hass gegen Schwule und Lesben auffielen. Einer von ihnen schreibt auf Facebook:
„Lesbisches und schwules Verhalten ist biologisch KRANK! In solchen Vereinigungen können keine Kinder gezeugt werden. Aber dann Kinder adoptieren, die dem Schöpfungssinn gezeugt wurden? Haben Schwule und Lesben da was nicht verstanden?“

Im weiteren Verlauf bezeichnet er Homosexuelle als „Spezies“ und wettert gegen die gleichgeschlechtliche Ehe.

An anderer Stelle schreibt er vom „satanischen Islam“, der „keine Religion, sondern eine Pest“ sei. Der Islam habe ein „vom Teufel inspiriertes Weltbild“, das „keine Berechtigung haben darf“.

Der andere Kandidat teilt einen Beitrag, in dem die SPD als „Deutschlandverräterpartei“ bezeichnet wird, die auf den „Misthaufen“ gehöre. Er bezichtigt die öffentlich-rechtlichen Medien der Lüge und teilt Inhalte des rechtsextremen YouTubers Tim K.

Die Beiträge sind auf den selbst verwalteten Facebook-Seiten der beiden Kandidaten veröffentlicht worden - dabei handelt es sich um aktuelle und ältere Posts.

Im Interview am 12. August fragte LokalDirekt Marc Borlinghaus:
„Sie sagen, dass die AfD als böse in (sozialen) Medien dargestellt wird und Sie eigentlich möchten, dass die Menschen wieder mehr zusammenrücken – wie soll das mit zwei Ihrer Mitstreiter geschehen, die offen im Internet gegen Muslime und Homosexuelle herziehen und Verschwörungstheorien teilen?“

Ferner wollte die Redaktion vom Bürgermeisterkandidaten wissen, ob er trotz der Äußerungen an den Kandidaten festhalte. Borlinghaus bekräftigte, die beiden Kandidaten verträten in diesen Fällen nicht das Ansehen der AfD in Halver. Diese Meinung teile weder er noch die AfD. Man habe beispielsweise Homosexuelle in der Partei, und diese fühlten sich sicher und nicht ausgegrenzt. Zudem bat Borlinghaus um Prüfung des Sachverhalts in Rücksprache mit dem Kreisverband. LokalDirekt legte einen Teil der Recherche in Form von Screenshots vor und setzte eine Frist zur Stellungnahme bis Freitag, 22. August.

Auf Nachfrage zum derzeitigen Verfahrensstand teilte Kreisverbandsvorsitzender Klaus Laatsch am Freitag, 22. August, mit, man habe beide Kandidaten zu einem Gespräch eingeladen und wolle sich ein Bild machen.

Ferner heißt es in einer Stellungnahme des Gebietsverbandes: „Der Gebietsverband Volmetal hat unmittelbar nach Bekanntwerden fragwürdiger Äußerungen zweier Kandidaten aus Halver die entsprechenden Beweise unverzüglich an den Kreisverband Märkischer Kreis weitergeleitet und ein Verfahren zur Aufklärung angestoßen. Den betroffenen Personen wurden die Belege im Vorfeld vorgelegt, zudem wurden sie über die rechtlichen Rahmenbedingungen und das weitere Verfahren umfassend informiert. Unabhängig davon, dass einige der Äußerungen bereits bis zu sieben Jahre zurückliegen, stellen wir klar: Solches Gedankengut hat keinen Platz in der AfD. Wir distanzieren uns ausdrücklich von diesen Aussagen. Sie spiegeln nicht das Bild wider, für das wir in Halver als Partei stehen und stehen wollen.“

Ob die AfD für die beiden Kandidaten weiterhin einen Listenplatz vorhält, lassen sowohl der Gebietsverband als auch der Kreisverband bis dato offen.

Marc Borlinghaus selbst strebt in Halver übrigens gegen den heimischen AfD-Trend. Anders als seine Parteikollegen zeigt er sich auf Wahlplakaten und in der Presse, pflegt seine Social-Media-Auftritte, beantwortet Anfragen und nimmt Interviewanfragen wahr.

Sein Mitstreiter Florian Stein hingegen, der auf Listenplatz 1 kandidiert, hat kurzerhand heimische Journalisten von seinen Social-Media-Kanälen ausgeschlossen und sein Profil für Zugriffe blockiert.