Schweigende Mehrheiten
„In den letzten Wochen ist deutlich geworden, dass sehr viele Menschen in diesem Land für die demokratischen Grundwerte unserer Verfassung einstehen. Hunderttausende demonstrieren jede Woche für Menschenwürde und gegen rechten Populismus. Die bislang schweigende Mehrheit scheint aufgewacht zu sein und will ein neues 1933 verhindern. Gut so.
Leider ist dies nicht die einzige Krise, bei der die Menschen aufgefordert sind, sich mehr als bisher zu positionieren. Die Klimakrise ist in unserem Alltag angekommen, das Wetter spielt immer öfter verrückt, den Wald hat es großenteils dahingerafft. Und trotzdem schweigen wir, wenn sich Initiativen gegen geplante Windkraftanlagen (oder wie aktuell in Halver-Edelkirchen gegen eine Freiflächen-PV-Anlage) lautstark zu Wort melden und Horrorszenarien mit populistischen Floskeln (Verspargelung der Landschaft, Zitterstrom,…) an den Horizont malen.
Auch hier gilt es, gegen solche Parolen aufzustehen und sich zu positionieren. Nach Stand der Wissenschaft muss das Verbrennen fossiler Energieträger umgehend eingestellt werden, um die Klimakatastrophe zu begrenzen. Dies geht nur durch eine Energiewende hin zu erneuerbaren Energien aus Sonne und Wind. Dazu sind hohe Windkraftanlagen ebenso nötig wie große Solaranlagen. Sie haben bereits die Atomkraftwerke unnötig gemacht, eine Technologie, die von Beginn an in der Bürgerkritik stand, und sie werden auch die Kohlekraftwerke obsolet machen. Menschen, die in der Nähe solcher Großkraftwerke leben, werden das uneingeschränkt begrüßen.
Populisten, die gegen Windkraftanlagen hetzen, wollen aber auch mit Strom versorgt werden. Sie wollen ebenso wenig auf Kühlschränke, Fernseher oder Smartphones verzichten wie jeder von uns, ganz zu schweigen von den elektrischen Pumpen in ihren Ölheizungen. Nur, wie für andere Populisten auch, nehmen sie für sich das Sankt-Florian-Prinzip in Anspruch: Sollen doch andere auf Atommüll oder neben stinkenden Schornsteinen ihr Leben fristen, damit ich ausreichend Strom zur Verfügung habe. Aber bitte nicht in meiner Nachbarschaft. Ebenso sollen die benötigten Windkraftanlagen doch woanders, beispielsweise in Norddeutschland, gebaut werden. Da weht der Wind doch sowieso stärker. Aber wenn die erforderliche Stromtrasse dann über ihr Grundstück laufen soll, gibt es wieder Protest, wie bei SuedLink erlebt – Sankt-Florian-Prinzip eben!
Es ist ebenso wichtig, für den Erhalt unserer physischen Lebensgrundlagen aufzustehen wie für den Erhalt unserer freiheitlichen Grundordnung und sich gegen den egozentrischen Populismus zu wehren. Ich rufe daher zu Demonstrationen FÜR Windkraftanlagen und PRO Freiflächen-PV auf.
Vielleicht gelingt es uns ja ähnlich wie bei den Demos gegen Rechtsextremismus die politische Mitte und ihre gewählten Vertreter so zu stärken, dass sie endlich das Richtige tun!
Und finanziell lohnen würde es sich obendrein, wie z.B. die Gemeinde Saerbeck im Münsterland seit Jahren zeigt.
Wenn ich durch den Wald gehe, bedaure ich das Fehlen der Bäume, auch wenn es nur Fichten-Monokulturen waren. Dann weitet sich mein Blick zum Horizont und ich freue mich über jede rotierende Windkraftanlage. Leider sind es noch VIEL zu wenige.„
Claus Peter Wirth, Halver
Der Leserbrief nimmt Bezug auf folgenden Artikel:
Unternehmen plant Freiflächensolaranlage – Anwohner protestieren
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