Interview.

Fünf Kandidaten - ein Amt - die Bürger entscheiden. Wer wird Bürgermeisterin oder Bürgermeister in Halver? Am 14. September wissen wir's, sollte es zu keiner Stichwahl kommen. Im Rahmen der Kommunalwahl haben die Halveraner in diesem Jahr die Qual der Wahl. LokalDirekt stellt die fünf Kandidaten in ausführlichen Interviews vor. Was bewegt sie? Welche Ideen haben sie für die Stadt? Wofür stehen sie? Was ist ihr Plan für Halver? Sascha Gerhardt ist 52 Jahre alt und Bürgermeister-Kandidat für die CDU.

Seit 2008 begleitet Sascha Gerhardt das politische Treiben in Halver. Zunächst als Stadtverordneter, 2009 als Bürgermeisterkandidat der FDP, danach viele Jahre als ihr Fraktionsvorsitzender. Zurück zur CDU wechselte er nach 23 liberalen Jahren kurz vor seiner Nominierung als Bürgermeisterkandidat im März dieses Jahres. In einem Pressegespräch nahm er kurz darauf Stellung zu der ihm vorgebrachten Kritik, er habe aus Karrieregründen die Partei gewechselt. In den vergangenen Wochen engagierte sich Gerhardt für die Ansiedlung eines Kinderarztes in Halver.

Seit 1996 ist Sascha Gerhardt Polizeibeamter, seit 2002 in Führungsfunktionen. Derzeit ist er stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion in Remscheid und trägt Verantwortung für die Sicherheit von rund 120.000 Bürgerinnen und Bürgern. Nebenberuflich engagiert sich Gerhardt unter anderem als Mentor für angehende Führungskräfte und für Führungskräfte des Polizeipräsidiums Wuppertal. Zudem ist er Vorsitzender der DPolG im Kreisverband Wuppertal.

Sascha Gerhardt ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

LokalDirekt: Sie wollen Bürgermeister der Stadt Halver werden. Welche Motivation steckt dahinter?

Sascha Gerhardt: Das ist eine vielschichtige Motivation. Zuallererst das Bedürfnis, noch mehr Verantwortung zu übernehmen hier in der Kommune. Ich mache jetzt seit 25 Jahren Politik in Halver. Schon bei meiner ersten Kandidatur habe ich mich damit auseinandergesetzt und habe damals, trotz der aussichtslosen Situation, gemerkt, dass ich Freude an dieser Aufgabe hätte. Im Laufe der Jahre habe ich mich beruflich und politisch weiterentwickelt. Als ich dann von meinen Parteifreunden gefragt wurde, ob ich kandidieren möchte,  hat das letztlich dazu geführt, dass ich mir einmal mehr vorstellen kann, hier Verantwortung zu übernehmen und meine Erfahrung, die ich gewonnen habe, in Halver gewinnbringend einzusetzen.

Was glauben Sie, werden Sie Bürgermeister als Person Sascha Gerhardt oder werden Sie auch Bürgermeister für die Partei, die hinter Ihnen steht?

Ganz ehrlich – ich komme aus einer Partei, die nicht mit einer großen Hausmacht daher kommt und das habe ich auch tief verinnerlicht. Dieses Vernetzen, um Ideen zu entwickeln und Ideen durchsetzen zu können, das gehört in meine DNA als politisch Agierender. Ich war schon früher kein Parteisoldat und als Bürgermeister werde ich das erst recht nicht sein. Ich bin eher so geprägt, dass ich in der Vernetzung, im Miteinander, im Wettstreit um Ideen das Beste identifizieren und entwickeln möchte. Das ist mein Credo. Für mich ist eher die Idee im Vordergrund, als die Fragestellung, welche Partei dahinter steckt.

Warum haben sie als Treffpunkt für dieses Interview das AFG gewählt?

Das war mein erster Berührungspunkt mit der Stadt Halver. Ich bin bis 1989 in Wuppertal aufgewachsen und zur Schule gegangen. Im November 89 sind wir umgezogen und dann musste ich die Frage nach einer Schule beantworten. Ich hörte dann vom AFG, das war gerade erst umbenannt worden und dann war das meine erste Anlaufstelle. Ich stand bei Herrn Fipper im Büro und wollte mich anmelden. Zu Schulzeiten habe ich hier auch meine Frau kennengelernt und auch wenn es mich während meiner Ausbildung nochmal nach Wuppertal verschlagen hat, sind wir doch 1997 wieder nach Halver zurückgekommen. 

Sie sind als Bürgermeister wichtiges Bindeglied zwischen Politik und Verwaltung – wie empfinden Sie diese Rolle?

Das ist schon eine Herausforderung. Allerdings verstehe ich die Rolle des Rates gar nicht als Widerpart, sondern mehr als Partner. Manchmal ist das in den vergangenen Jahren nicht immer wirklich deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass das zwei Seiten einer Medaille sind, die partnerschaftlich und nicht widerstreitend sind. Für mich ist das deshalb keine völlig neue Rolle. Ich habe auch versucht, als Politiker, der keiner Mehrheitsfraktion angehört,  Vernetzung zu betreiben und dabei grundsätzlich auch die Verwaltung mit einzubeziehen. Das gelang nicht immer. Vielleicht auch deshalb, weil an der Spitze der Verwaltung nicht immer jemand saß, der meine Ideen geradezu euphorisch begleitet hat.

Wie ist denn im Moment die Partnerschaft zwischen Rat und Verwaltung?

Das ist das, was ich gerade zum Ausdruck bringen wollte. Es war nicht immer partnerschaftlich, sondern schon auch konfrontativ. Das gefällt mir nicht. Kontroverse ist in der Politik ein wichtiger Bestandteil von Debatten. Die Kontroverse zwischen Politik und Verwaltung muss aber am Ende einer Debatte beendet sein - das war meiner Meinung nach nicht immer der Fall.  Vielleicht ist meine Wahrnehmung da aber auch gar nicht richtig. Aber das ist eben das, was ich empfinde. Und ich möchte mit dieser Aufgabe, die ich übernehme, Partner sein und eine Idee nur dann nicht verfolgen, wenn sie nicht tragfähig ist oder mehrheitlich abgelehnt wird. Das ist zuletzt aus meiner Sicht nicht immer so deutlich geworden, dass das die Rolle eines Bürgermeisters sein sollte. Ich kann das konkret mit dem Prozess rund um den Bauhof verbinden, wo Anträge nicht umgesetzt wurden. Das kann auch nicht schöngeredet werden. Da wurden Kompetenzen des Rates missachtet. Vielleicht ohne Absicht, vielleicht aber auch nicht. Was es aber vor allem ist, es ist nicht demokratiefördernd. Wo, wenn nicht im Stadtrat und in den Ausschüssen, soll gerungen werden um die besten Ideen. Und das kann nicht am Schreibtisch des Bürgermeisters passieren. Da wünsche ich mir viel mehr Diskurs und Dialog und am Ende Umsetzung dessen was mehrheitlich beschlossen wurde. An dieser Stelle möchte ich spürbar anders agieren. 

Empfinden Sie Ihre jetzige Position innerhalb einer Verwaltung als Vorteil?

Ja, ich glaube schon. Wenn man Verwaltungsabläufe kennt und auch weiß, dass man einer Organisation vorsteht, die mehr als 100 Mitarbeiter hat, so wie es im Moment bei mir der Fall ist, ist das ein Vorteil. Das heißt  für mich auch jetzt: netzwerken und Mitarbeiter aber auch Partner außerhalb meiner Organisation mitnehmen.

Man könnte das aber auch umdrehen und sagen, dass schon wieder jemand Bürgermeister werden möchte, der nur Verwaltungsstrukturen kennt. 

Sicher, die Voraussetzungen in der Privatwirtschaft sind ganz andere. Ich gehöre einem Dienstleistungsunternehmen an, das nicht im Wettbewerb des Marktes steht und daher natürlich andere Voraussetzungen hat. Aber grundsätzlich ist das glaube ich kein Nachteil, dass ich Verwaltungsstrukturen kenne und in eine Verwaltung reingehen möchte. Außerdem heißt das  ja nicht, dass ich in 53 Jahren nicht mitbekommen habe, welche Bedürfnisse Unternehmen haben. Ich weiß, dass da enorme Herausforderungen bestehen. Ich muss kein Experte in jedem Bereich sein, um mich für die Bedürfnisse zu interessieren. Ich muss wissen, wo und wie ich als Bürgermeister unterstützen kann. Das gilt für die Landwirtschaft ebenso wie für die Wirtschaft und Industrie als auch den Einzelhandel. Das Interesse für die Sache ist entscheidend. Die 25 Jahre Erfahrung, die ich in der Politik gewonnen habe, helfen durchaus Prozesse einzuordnen. Und durch meine Verwaltungskenntnisse habe ich dann auch die Fähigkeit, Türöffner für die Bedürfnisse anderer zu sein- darauf wird es vielfach ankommen.

Nennen Sie drei Dinge, die in Halver in den vergangenen fünf Jahren besser hätten laufen müssen.

Nur drei? (lacht.) Wir stehen hier vor dem AFG, auf dem Areal, für das ich mal vor ein paar Jahren einen Antrag geschrieben habe, Campus auf dem Dorfe. Dann ist mal irgendwann gesagt worden: Wir haben jetzt keine Kohle, machen wir nicht. Das wäre nicht meine Herangehensweise gewesen. Wir hatten einen Workshop, da sind viele Dinge benannt worden. Das waren Bedürfnisse, die ich auch mit geringen Mitteln umsetzen kann. Wenn ich ein bisschen Herzblut reinlege und ein bisschen Verständnis aufbringe, für die, die hier jeden Tag sein müssen, weil sie hier zur Schule gehen. Dann hätte ich mir gewünscht, dass man hier Veränderungen durchgebracht hätte. Der Campusgedanke ist komplett liegengelassen worden. Das finde ich wirklich enttäuschend, weil es ein Prozess war, der auch im Dialog mit Betroffenen geführt wurde. Ich finde, es ist einfach nicht wertschätzend, wenn man eben diesen Betroffenen sagt, es sei kein Geld da, wir machen gar nichts. Es sind so viele Dinge, die man hätte anpacken können. Es muss nicht immer der ganz große Wurf sein - dafür waren tatsächlich die Mittel zu knapp. Aber mit kleinen Dingen hätte man Verbesserungen herbeiführen können. Und wenn ich dann erfahre, dass es sogar Landesmittel hätte geben können, die passgenau den Campus-Antrag abgebildet haben, dann kann man meine große Enttäuschung sicher nachvollziehen. Da passt die Digitalisierung der Schulen gleich mit rein.

Mit Sascha Gerhardt stellt die CDU Halver einen eigenen Bürgermeisterkandidaten für die Kommunalwahl im September auf.
Foto: Friederike Kämper

Dann hätte ich mir gewünscht, dass wir mit dem Wohngebiet Herksiepe/Schillerstein schon weiter sind. Wir haben im Dialog mit der Bevölkerung gearbeitet, das finde ich super. Es hängt aber auch damit zusammen, was die Stadtspitze möchte und wie man das moderiert. Ich halte es für erforderlich, an der Seite von Simon Thienel, der das engagiert gemacht hat, das Projekt nach vorne zu bringen. Der Rat hat mehrheitlich immer gesagt, dass er das möchte. Und dann ist das umzusetzen. Ein Bürgermeister muss seine eigenen Interessen dann hinten anstellen und Beschlüsse nicht verzögern oder sogar ganz ignorieren.

Und, was mich total ärgert, ist, wie wir die Straßensanierung angehen. Das wurde oft nicht zielführend gemacht. Wir müssen an der 60:40-Lösungen festhalten, weil sie uns dazu verpflichtet, unsere Blicke in Gänze auf Halver zu werfen. (Anm. d.Red.: verpflichtend Mittel einsetzen 60 Prozent innerorts, 40 Prozent außerorts). Die Aufgabe einer Kommune als Straßenbaulastträger ist es, die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs zu gewährleisten. Und es ist nachrangig bedeutsam, ob in einer Sackgasse wegen Straßenschäden nur 10 km/h gefahren werden darf, oder ob ich das zum Beispiel an der Elberfelder Straße tue. Wir haben nur ausgesprochen begrenzte Mittel und müssen daher priorisieren und vorrangig die Straßen sanieren, die eine hohe Verkehrsbedeutung haben. Und das kann auch im Außenbereich sein.

Im Juli hat Leoni angekündigt, den Standort Halver zu schließen. 120 Mitarbeiter werden ihren Job verlieren. Auch anderen Unternehmen geht es nicht gut, sind in Kurzarbeit oder befinden sich in Sanierungsprozessen. Wie beurteilen Sie die Lage?

Ich halte die Lage für dramatisch. Ich glaube, dass in der Vergangenheit für viele gar nicht so richtig deutlich wurde, wie schlimm die Lage für viele Unternehmen ist -  die Berichte der SIHK haben hier aber seit Jahren eine sehr deutliche Sprache gesprochen. Es ist aber auch etwas, wo man als Stadt nur begrenzt Einfluss nehmen kann und es ist sicherlich auch klug, wenn man öffentlich nicht über konkrete Probleme einzelner Unternehmen spricht. Ich gehe davon aus, dass der Bürgermeister aber sehr eng an den Unternehmen dran ist und die Lage gut kennt. Zumindest würde ich das so tun. Wir müssen jetzt schon schauen, dass wir der Wirtschaft hier Perspektiven bieten und keine Bremsklötze zwischen die Beine werfen. Ich glaube, dass es für viele Unternehmen aufgrund der Gesamtwirtschaftslage Probleme gibt. Für mich persönlich ist es besonders wichtig, dass man Fachkräfte vor Ort hält und vielleicht auch in anderen Branchen unterbringen kann. Wir haben sehr qualifizierte Arbeitnehmer, für die es gute Perspektiven hier vor Ort gibt. Und wenn die Stadt diesen Weg mitgestalten kann, dann sollte sie das auch tun. Ich glaube aber, dass das durchaus auch passiert.

Es läuft nicht nur schlecht für Unternehmen – andere Branchen erfahren auch Aufwind. Welche Stimmung wird Ihnen gespiegelt?

Auch Unternehmen, die überregional und noch nicht in Halver tätig sind, könnten einen Blick auf den Standort werfen.

Welche?

Wenn ich jetzt sage, dass gerade sehr viel im Bereich der Rüstungsindustrie passiert, klingt das sicher nicht sympathisch. Aber das ist so. Und wenn wir wissen, dass beispielsweise ein Automotiv-Betrieb auch Fähigkeiten hat, umzustrukturieren, indem Produktionsstätten mit einfachen Mitteln umgenutzt werden können, dann bietet der Standort Halver auch hier Perspektiven. Ich hätte mir vor vier, fünf Jahren nicht vorstellen können, dass ich zu einer solchen Einschätzung komme - aber ich muss mich den Realitäten der Gegenwart stellen und schauen, wo die Potenziale liegen. Es hat sich ein Veränderungsprozess entwickelt. Die Automobilindustrie zum Beispiel steht einer disruptiven Veränderung gegenüber. Und es muss vorrangig darum gehen, Arbeitsplätze zu sichern.

Was müssen Verwaltung und Politik an dieser Stelle denn machen, um als Stadt dahingehend wahrgenommen zu werden?

Wir brauchen eine gute Verkehrsinfrastruktur. Wir sind als ländliche Flächengemeinde von Mobilität abhängig. Da geht es um den Erhalt der Verkehrswege und um Gewerbegebiete. Als Stadt muss  man auf die Bedürfnisse der heimischen Industrie eingehen können, wenn man sie vor Ort halten will. Es müssen aber auch Flächen für Unternehmen verfügbar sein, die ihren Betrieb nach Halver verlegen wollen. Es wäre aus meiner Überzeugung fatal, wenn wir nicht in die Zukunft denken und Flächen anbieten; das tun andere Kommunen nämlich momentan noch nicht.

Wo sehen Sie denn die Flächen?

Wir haben momentan noch gar nicht genau analysiert wo diese Flächen sein könnten. Ein Monitoring muss kurzfristig und für die kommenden stattfinden. In Oeckinghausen sehe ich eine Möglichkeit, etwas zu entwickeln, wo der Eingriff in die Natur geringer ist.

Wir reden von den Flächen oberhalb und neben der Rettungswache? Die wurde von der Politik vor ein paar Jahren mal abgelehnt.

Ich habe das nicht getan. Es ging gar nicht um die Frage, Gewerbegebiet ja oder nein. Es ging um die Frage, ob die Fläche im Regionalplan ausgewiesen wird. Und das hat eine Diskussion zur Folge gehabt, die sehr kontrovers war. Da haben sich SPD und Grüne mehrheitlich durchsetzen können. Ich werbe für andere Mehrheiten. Ich glaube, dass wir in Halver Perspektiven schaffen müssen, ohne unsere Landschaft zu zerstören.

So wie in Leifersberge? Wird da mehr Landschaft zerstört?

Ja. Ich war persönlich nicht glücklich mit der Ortswahl. Das ist am Ende ein Waldgebiet gewesen. Und Wälder sind absolut schützenswert. Ich will das Gewerbegebiet aber nicht schlechtreden. Das wäre fatal. Es war seinerzeit aber nicht der beste Standort. Aber es war der Standort, der im Kompromiss verhandelbar war. Das gehört zur Realität und dem muss ich mich auch stellen. Jetzt gilt es, das so erfolgreich wie möglich zu machen. Aber mit der Erschließung von Leifersberge sind die Bedürfnisse der Wirtschaft ja nicht abgeschlossen und neue Gewerbegebiete auszuweisen ist ein Prozess mehrerer Jahre. Deshalb bin ich grundsätzlich froh, dass wir Leifersberge jetzt haben auch wenn es damals aus meiner Sicht bessere Alternativen gab.

Die Stadt steht vor großen finanziellen Herausforderungen. Mehr Ausgaben als Einnahmen, die hohe Kreisumlage, gleichzeitig dulden einige große Investitionen keinen Aufschub mehr. Wie gehen Sie das an? Würden Sie die Steuern erhöhen?

Eine Steuererhöhung ist immer das letzte Mittel. Es kann nicht sein, dass wir, vor dem Hintergrund einer schwierigen Situation, als erstes auf die Idee kommen, die Steuern zu erhöhen. Die Frage am Ende ist: Geraten wir in einen Nothaushalt oder nicht. Wir haben aber gerade Beschlüsse auf Bundesebene, die sich positiv auf die Kommunen auswirken werden. Bei aller Kritik, die medial vielfach formuliert wurde: Die Aufweitung der Schuldenbremse wird sich positiv auf die Kommunal- und Landeshaushalte auswirken. Wenn es Phasen gibt, in denen Kommunen in eine problematische Situation kommen, dann nimmt man auch Verantwortung auf der Seite der Entscheidungsträger obergeordneter Ebenen von Bund und Land wahr. Das war 2009/2010 so und  darauf setze ich auch heute. Der Status Quo wird sich verändern durch die Unterstützungsleistung, die auch zwingend ist, von Bund und Land. Trotzdem müssen wir auch eigene Hausaufgaben machen. Ausgaben, die nötig sind, müssen so effizient gestaltet werden, dass wir sie auch leisten können. Erst wenn all diese Mittel und Wege ausgeschöpft sind, sollten Steuererhöhungen in Betracht gezogen werden.

Ein Bauhof für sechs Millionen Euro – zuzüglich Erschließungskosten – und ein Feuerwehrgerätehaus für sechs Millionen Euro. Bleibt noch Geld übrig für weitere Projekte? Was steht noch an?

Grundsätzlich ist es so, dass Investitionen in den Bauhof und in die Feuerwehr erfolgen müssen. An beiden Gebäuden herrschen arbeitsschutzrechtliche Missstände, die den Bürgermeister auch rechtlich zum Handeln zwingen. Aber wir müssen die Frage nach dem Baukörper und die Grundstücksfrage voneinander trennen und hierbei ist auch zu prüfen, ob Investoren aus der Privatwirtschaft bei der Realisierung helfen können. Das haben wir in der Vergangenheit bei Großprojekten auch erfolgreich getan- das Feuerwehrgerätehaus Stadtmitte ist ein solches Beispiel. Unabdingbar sind aber  für mich auch Investitionen in unsere Schulen. Das ist etwas Fortlaufendes. Das hat etwas zu tun mit ‚Zukunft gestalten‘. Aber auch hier muss man, wie beim Bauhof und der Feuerwehr, Bedarfe genau erkennen und sukzessive abarbeiten. Es geht nicht nach dem Prinzip ‚Alles oder nichts‘. Das darf man nicht gegeneinander ausspielen. Ich möchte gern, dass die Verwaltung darstellt, wie die Dinge verzahnt miteinander funktionieren können. Einen Weg, wie das gelingen kann, habe ich ja bereits oben genannt.

Die Jugend verlangt seit Langem mehr Freizeitmöglichkeiten in Halver. Während für Projekte zum Teil viel Geld locker gemacht wird, sind Projekte für die Jugend von Förderprogrammen abhängig. Ist das gerecht?

Es ist schon grundsätzlich richtig, dass man Fördermittel ausschöpft, dort, wo sie auch vorhanden sind. Die Anträge zum Bikepark und zur Skateranlage stammen aus meiner Feder und die standen nicht unter Finanzierungsvorbehalt. Dass sich bei beiden Projekten Förderkulissen gefunden haben, ist aber natürlich ein erfreulicher Umstand, weil wir die Projekte umsetzen können und zugleich die Stadtkasse entlasten. Aber ist es gerecht? Ich finde, es sind ja Programme da, die das finanzieren können. Wäre das aber nicht der Fall, müsste man auch auf nichts warten. Dann sollte man sofort damit beginnen. Ich weiß aber, dass für die Jugend durchaus Mittel vorhanden sind und ich werde mich als Bürgermeister persönlich dafür stark machen, dass diese auch in Halver landen. Das müssen nicht immer Großprojekte sein. Vieles lässt sich auch gemeinsam mit Vereinen oder den Partnern der Kinder- und Jugendarbeit umsetzen. Ich denke da an Konzertveranstaltungen oder auch digitale Angebote - Jugendliche haben oft eine völlig andere Vorstellung von Kulturveranstaltungen und ich möchte dabei helfen, diese im Austausch mit der Jugendarbeit und den Jugendlichen vor Ort zu etablieren.
Was aber definitiv besser gemacht werden muss ist die Kommunikation in die Bevölkerung. Viele Menschen fragen sich, wieso passiert zum Beispiel am Skate- und Bikepark nichts. Im Hintergrund ist ja viel passiert- es wurden zum Beispiel Lärmgutachten und Umweltprüfungen vorgenommen und Planungsrecht geschaffen. Ich möchte zukünftig bei allen Projekten die Entwicklungsprozesse offen mehrgleisig kommunizieren- die deutliche Ausweitung der Kommunikation der Stadt via Social-Media gehört dazu.

Viele junge Menschen haben bei den zurückliegenden Wahlen die AfD gewählt, auch an unseren Schulen im Rahmen von Testwahlen. Wie erklären Sie sich das? Was können Sie / die Politik dagegen tun?

Die Erwartungen, die bei vielen hinter der AfD stecken, haben auf kommunaler Ebene eine völlig nachrangige Bedeutung. Auf Bundesebene haben Schüler eine Erwartung gehabt, dass die AfD Lösungen bieten kann, für Probleme, vor denen sie Angst haben und die von den etablierten Parteien nicht engagiert bearbeitet wurden. Kern war da sicher die Flüchtlingsfrage. Da hatten Schüler – teils berechtigt aber auch durch digitale Medien gesteuert – Angst und Sorge und haben Lösungen gefunden in einer Partei, die aus meiner Sicht keine Lösung gebracht hätte. Das ist das Problem mit Populismus. Ich bin ein Freund davon, dass Probleme ernst genommen und Lösungen erarbeitet werden, die rechtsstaatlich getragen sind. Und unser Rechtsstaat bietet Lösungen- da braucht es keine populistischen oder extremistischen Ideen.

Und wie überzeugen Sie einen Schüler vor der Kommunalwahl, bei Ihnen ein Kreuzchen zu machen und nicht bei der AfD?

Ich erfrage erstmal die Motivation, warum die AfD eine Lösung sein soll. Hier vor Ort zu glauben, dass die etablierten Parteien keine Lösungen finden, basiert auf keiner Grundlage. Was ist hier vor Ort schief gelaufen, dass sie glauben, der völlig unbekannten Kraft AfD, die möglicherweise radikal, vielleicht sogar extremistisch ist, ihre Stimme zu geben. Das interessiert mich. Ich werde hoffentlich in den nächsten Wochen oft die Gelegenheit haben, auch mit Schülerinnen und Schülern über diese wichtige Frage zu sprechen.

Rauf aufs Rad, raus aus dem Auto – kann Halver Fahrrad?

Ja klar kann Halver Fahrrad. Halver hat aber nicht alles dafür getan, dass Fahrrad attraktiv wird. Und da will ich natürlich auch dran mitwirken. Auch da sind wir in Bereichen, wo wir uns die Frage stellen müssen, ob Investitionen selbstständig getätigt werden können oder ob es entsprechende Förderprogramme gibt. Das sind auch wieder zeitliche Aspekte, die sicherlich eine Rolle spielen aber wir können uns nicht verheben. Dass der Volmeradweg so lange auf sich warten lässt, ist aber sicherlich ärgerlich. Teilweise scheitert es an Grundstücksfragen, wodurch Planungen verzögert werden; teilweise liegt es aber auch daran, dass es nicht sachgerecht verfolgt wurde. Das ist ein Thema, dessen sich ein Bürgermeister anzunehmen hat.

Klimaneutralität, auch die Kommunen sind in der Pflicht – an welchen Stellen muss Halver nachlegen oder tun wir schon genug gegen den Klimawandel?

Ich glaube nicht, dass wir für eine gute, nachhaltige Energieversorgung genug getan haben. Es ist allerdings fraglich, ob die Maßnahmen in Halver maßgeblich Einfluss auf den Klimawandel nehmen können. Mir wird die Debatte teilweise zu ideologisch geführt. Das behindert den Erfolg des wichtigen Themas der Energiewende. Für mich steht im Zentrum die Frage, wie wir Energiesicherheit zukünftig gewährleisten können. Und bei dieser Frage komme ich schnell zu dem Ergebnis, dass die Zukunft nicht bei fossilen Energieträgern liegen kann. Erstens verfügen wir nicht über verlässliche Quellen und zweitens sind die Ressourcen endlich, das ist sicher. Wind- und Solarenergie können definitiv einen wichtigen Beitrag zur Energieversorgung leisten und sie tun es ja bereits jetzt.

Ein großes Thema auf Ihrer Agenda ist das Thema Sicherheit. Erläutern Sie.

Sicherheit ist ein sehr vielschichtiges Thema und man kann es nicht alleine auf die Frage der Personal- und Sachausstattung der Feuerwehr sowie der Frage der Leistungsfähigkeit des Ordnungsamtes reduzieren. Beide genannten Bereiches sind sehr wichtig und die geplanten Investitionen in die Feuerwehr sind zwingend erforderlich. Aber Sicherheit muss man genau wie die Frage der Energiesicherheit etwas größer und vor allem vernetzt betrachten.
Ich möchte die Stadt Halver in ein Sicherheitsnetzwerk einbinden, das dazu beiträgt, den Rechtsstaat auf allen Ebenen durchzusetzen. Potenziale für Partnerschaften sehe ich zum Beispiel bei der Polizei, dem Zoll, der Familienkasse, der Ausländerbehörde, dem Jugendamt und weiteren Behörden.
Konkret werde ich mit dem zukünftigen Landrat einen Vertrag über die Zusammenarbeit und Vernetzung der Stadt Halver mit der Polizei Märkischer Kreis schließen. Hieraus entwickelt sich dann eine projektbezogene Zusammenarbeit zur deutlichen Steigerung der Präsenz der Sicherheitspartner im öffentlichen Raum. Dazu werde ich eine Initiative starten, die dazu führen wird, missbräuchlichen Bezug von staatlichen Leistungen aktiv zu bekämpfen. Diesen Ansatz verfolge ich auch in Remscheid durch die Polizei initiiert im Projekt 'Missimo' und dies gilt es dringend auch im Märkischen Kreis zu etablieren, denn durch die Aktivitäten zur Bekämpfung in den Großstädten, verlagert sich das Tatgeschehen mehr und mehr in den ländlichen Raum. Es ist zwar so, dass die Stadt Halver hier nur mittelbar profitiert, da zum Beispiel die Mittel bei der Bekämpfung des missbräuchlichen Bezugs von Kindergeld Steuermittel des Bundes sind. Aber ich stehe, wie bereits zuvor von mir gesagt, für die konsequente Umsetzung des Rechtsstaates auf allen Ebenen. Und am Ende profitiert der Staat als Ganzes von solchen Initiativen. Engagieren wir uns da nicht, wird der ländliche Raum zum El Dorado für sämtliche Formen organisierten Leistungsmissbrauchs, denn die Ballungsräume engagieren sich massiv in diesen Bereichen, was bereits jetzt zu einer klaren Verdrängung in den ländlichen Raum führt.

 Welche Schlagzeile würden Sie in fünf Jahren gerne über Ihre Amtszeit lesen?

Wir freuen uns auf eine zweite Amtszeit.

Und welche lieber nicht?

Er war stets bemüht.

Begründen Sie, warum ausgerechnet Sie der perfekte Bürgermeister für Halver sind. Sie haben 60 Sekunden Zeit.

Hinweis der Redaktion

Die Interviews mit den Bürgermeisterkandidaten/innen erscheinen an drei Wochenenden. Es ging los mit Armin Kibbert (SPD) am 9. August, es folgt Sascha Gerhardt (CDU) am 10. August. Am 16. August geht es weiter mit Sina Löschke (Grüne), gefolgt von Marc Borlinghaus (AfD) am 17. August. Den Schluss bildet das Interview mit Tula Pak (parteilos) am 23. August.

Reaktionen auf die Interviews sind möglich per Mail an [email protected]

Wir weisen zudem auf die Podiumsdiskussion mit allen Kandidaten und Kandidatinnen hin. Diese findet am Donnerstag, 4. September, um 18.30 Uhr in der Aula des AFG statt.