Sie haben Jahrzehnte kommunalpolitische Entscheidungen mitgetragen, große Bauprojekte begleitet, Debatten geprägt und Breckerfelds Entwicklung mitgestaltet: Horst Hoffmann und Rainer Giesel engagieren sich seit 50 Jahren im Stadtrat und Bauausschuss. Eine außergewöhnliche Bilanz – und ein Rückblick auf bewegte Zeiten, politische Kuriositäten und echte Leidenschaft für die Heimatstadt.

Als Horst Hoffmann und Rainer Giesel im Gespräch mit LokalDirekt von ihren ersten Ratssitzungen erzählen, klingt es fast wie aus einer anderen Welt. 1975 saßen sie erstmals an einem kommunalpolitischen Sitzungstisch – allerdings nicht im heutigen Rathaus, sondern in einem Breckerfelder Wirtshaus, bei Bier, Korn und im dichten Rauch von Zigarren und Pfeifen. „Die ersten Sitzungen fanden tatsächlich noch in Kneipen statt“, erinnert sich Hoffmann schmunzelnd, „das war eine ganz andere politische Atmosphäre.“

Heute, 50 Jahre später, zählen beide zu den erfahrensten politischen Stimmen in Breckerfeld: Denn als langjährige Mitglieder im Stadtrat und des Planungs- und Bauausschusses haben sie die Entwicklung der Hansestadt maßgeblich mitgeprägt – und sind Zeitzeugen einer bewegten kommunalpolitischen Geschichte.

Anfänge in bewegten Zeiten

Als Hoffmann und Giesel politisch aktiv wurden, war Breckerfeld mitten in der kommunalen Neuordnung. Dahl wurde an Hagen angeschlossen, Waldbauer sollte folgen. Die Bürger aber setzten sich zur Wehr: „Es gab einen Treckerkorso zum Hagener Rathaus, und ein Gericht sprach Waldbauer schließlich Breckerfeld zu“, erinnert sich Giesel, der damals 26 Jahre alt war und über die Junge Union zur CDU kam: „Weil ich etwas in unserer Stadt bewegen wollte.“ 

Hoffmann, gelernter Bauingenieur, war ursprünglich 1975 für die Freie Wählergemeinschaft (FWG) aktiv: "So wie viele Breckerfelder Honoratioren jener Zeit", sagt er augenzwinkernd. Als er 1979 als Kandidat für den Parteivorsitz vorgeschlagen wurde, habe er abgelehnt: "Weil es deswegen schon im Vorfeld innerparteiliche Querelen gab", sagt er. "Noch am Wahlabend bin ich aus der FWG ausgetreten." Auf Initiative von Diethelm Büttner und Gerd Reibert fand er schließlich in der CDU eine neue politische Heimat. Für den Stadtrat wollte er in jenem Jahr jedoch nicht mehr kandidieren: „Das wollte ich meinen ehemaligen FWG-Kollegen nicht antun“, schmunzelt er. Stattdessen blieb er dem Bauausschuss treu. Bis heute.

Sachverstand, Streit – und danach ein Bier

Eines der größten Themen ihrer frühen Jahre in Ausschuss und Rat war die Erschließung des Wengebergs als Wohngebiet – ein Mammutprojekt, das nicht nur zu unzähligen kontroversen Debatten führte, sondern auch sehr anstrengende Verhandlungen mit Grundstücksbesitzern erforderte: „Am Ende stand die Stadt mit 12,216 Millionen D-Mark in der Kreide“, so Giesel.

Doch politische Auseinandersetzungen gehörten für beide von Anfang an dazu – ebenso wie gegenseitiger Respekt. „Bei manchen Themen ging es durchaus zur Sache, es wurde leidenschaftlich gestritten“, erzählt Rainer Giesel und betont: „Aber es blieb immer so fair, dass man hinterher noch gemeinsam ein Bier trinken konnte.“

Anekdoten aus 50 Jahre Ausschussarbeit

Auch an kuriose Momente erinnern sich beide noch gut. Etwa, als es um die Kanalplanung für die Neubausiedlung am Wengeberg ging: „Dem Ausschuss lagen zwei Pläne zur Abstimmung vor – beide mit verschiedenfarbigen Leitungslinien. Eine Ausschusskollegin meinte ernsthaft: Nehmen wir doch die buntere Variante, die sieht schöner aus." Jahrzehnte später muss Horst Hoffmann über diese Anekdote immer noch lachen.

Ähnlich kurios sei es bei den Diskussionen über einen neuen Standort für den städtischen Bauhof zugegangen: „Manche Ausschussmitglieder hatten sehr eigene - aber auch sehr unrealistische - Vorstellungen, welchen Wendekreis ein Lkw braucht“, erzählt Hoffmann schmunzelnd. Oder als Ende der 70er Jahre bei den Planungen für die neue Sporthalle „stundenlang über jede einzelne Bodenhülse diskutiert wurde". Die Halle, die 1981 fertiggestellt wurde, habe - auf Drängen einiger weniger Mitglieder des Bauausschusses - sogar einen Einstichkasten für Stabhochsprung erhalten: "Ich glaube, kein Mensch weiß, dass es den gibt, geschweige denn, dass er je genutzt wurde. Aber ich weiß bis heute genau, wo er ist“, lacht Ingenieur Hoffmann.

Horst Hoffmann (l.) und Rainer Giesel (r.) engagieren sich seit fünf Jahrzehnten kommunalpolitisch, weil sie "etwas bewegen wollen".
Foto: Satur

Verpasste Chance: Ferienhaussiedlung an der Glör 

Doch nicht alle Ideen und Pläne der Stadt Breckerfeld ließen sich in den vergangenen 50 Jahren umsetzen. So erinnern sich Giesel und Hoffmann beispielsweise mit Bedauern an die einst geplante Ferienhaussiedlung an der Glörtalsperre – ein Projekt, das trotz fertiger Modelle und Pläne schließlich an „Abstimmungsfehlern“ scheiterte. Auch die Umgehungsstraße ist seit Jahrzehnten ein (Gesprächs-)Thema in Breckerfeld, das beide politisch begleitet haben. Rainer Giesel erzählt: „Wir haben da immens viel Zeit und Arbeit reingesteckt. Die erste Trassenführung scheiterte, aber inzwischen steht die neue Variante immerhin auf der Prioritätenliste der Landesregierung. Und wir bleiben dran – damit der Ortskern irgendwann verkehrlich entlastet wird.“

Schuldenfreiheit als größte Errungenschaft

Ob die Planung von Wohngebieten wie Wengeberg, Westerfeld und Heider Kopf, der Gewerbegebiete I und II, der Umbau der alten Sportanlagen oder die Neugestaltung der alten Hufschmiede zum Stadtmuseum – Hoffmann und Giesel haben in fünf Jahrzehnten unzählige große und kleine Projekte begleitet. Als größte Errungenschaft sehen sie jedoch die Schuldenfreiheit der Stadt: „Dass Breckerfeld 2009 schuldenfrei wurde und es bis heute ist, gibt uns enorme Planungssicherheit und Freiraum für die städtische Selbstbestimmung“, so Giesel.

Wandel der Debattenkultur

Über die Jahre habe sich die Ratsarbeit stark verändert, erzählen die beiden ehrenamtlichen Kommunalpolitiker: „Früher war die Parteipolitik deutlich ausgeprägter. Entscheidungen wurden oft entlang der politischen Blöcke getroffen.“ Hoffmann erinnert sich in diesem Zusammenhang an hitzige Debatten: „Manchmal habe ich dem damaligen CDU-Bürgermeister Klaus Baumann die Hand aufs Knie gelegt und gesagt: ‚Ruhig Blut‘ - besonders, wenn eine bestimmte SPD-Dame ihn aus der Reserve locken wollte. Und sie wusste genau, wie sie das anstellen musste“, lacht er rückblickend. Heute hingegen sei vieles pragmatischer geworden. „Parteigrenzen spielen weniger Rolle – und das ist gut so“, betont Giesel. „Denn nur wenn alle an einem Strang ziehen, erreicht man etwas.“

Ein Punkt, den beide bedauern: „Früher gab es mehr Bürgerversammlungen. Es war selbstverständlich, bei größeren Projekten mit den Menschen vor Ort zu sprechen“, sagt Hoffmann. „Transparenz und Überzeugungsarbeit gehörten zur politischen Kultur.“

Zwischen Sitzungsstress und Familie

Dass Kommunalpolitik auch zeitlich herausfordert, wissen beide nur zu gut. Giesel, der bis zu seinem Ruhestand als Prokurist für die Firma M+A tätig war, erinnert sich an eine Zeit, in der er beruflich eine Großbaustelle in Minden betreute: „Wenn Sitzungswochen anstanden, bin ich montagmorgens rund 200 Kilometer hingefahren, abends zurück zur Sitzung, dienstags wieder hin – und abends erneut zur nächsten Sitzung. Das ging zweieinhalb Jahre so.“

Horst Hoffmann, der von 1999 bis 2014 zusätzlich als 1. stellvertretender Bürgermeister tätig war, hat sich mit 76 Jahren schließlich aus dem Stadtrat zurückgezogen – ist aber weiterhin im Bauausschuss aktiv. „Irgendwann merkt man: Man denkt nicht mehr so schnell, wie es manchmal nötig wäre“, sagt der heute 87-Jährige ehrlich – und schaut dabei mit einem Augenzwinkern zu seinem Kollegen: „Rainer will das aber wohl noch nicht wahrhaben.“

Anerkennung für 50 Jahre Engagement

Beide würden sich wünschen, dass sich mehr junge Menschen für kommunalpolitische Ämter begeistern: „Natürlich verliert man Freizeit“, sagt Giesel. „Aber man gewinnt Einfluss, kann mitgestalten, etwas bewirken.“ Und Hoffmann ergänzt: „Das Schöne an Kommunalpolitik ist ja, dass man vor Ort sieht, wofür man sich teils über monate- oder jahrelange Debatten hinweg eingesetzt hat.“ Und ihr Blick zurück auf 50 Jahre zeigt: Sie beide jedenfalls haben viel bewegt.

Für ihr außergewöhnliches Engagement erhalten Horst Hoffmann und Rainer Giesel dieser Tage eine besondere Auszeichnung von der Stadt Breckerfeld. Während Hoffmann für 50 Jahre Mitarbeit im Bauausschuss geehrt wird, erhält Giesel die Anerkennungsurkunde für seine durchgängige Stadtratsarbeit.

Fünf Jahrzehnte voller Entscheidungen, Diskussionen und Projekte – und zwei Lebensläufe, die zeigen: Kommunalpolitik ist keine trockene Verwaltungsangelegenheit, sondern gelebte Verantwortung, und ganz viel Liebe zur eigenen Stadt.