80 Prozent aller Grundschüler sollen in den nächsten Jahren im Ganztag betreut werden. Landesweit ist das in vielen Kommunen längst die Realität. In Nachrodt-Wiblingwerde hingegen nicht. In der Doppelgemeinde sind es gerade einmal 21 Prozent. Und so schnell werde sich das wohl auch nicht ändern. Eine Besonderheit.
"Da ist Nachrodt-Wiblingwerde schon etwas Besonderes", sagte Jürgen Thomaßen. Der Berater aus Köln stellte am Dienstagabend im Schulausschuss die Fortschreibung des Schulentwicklungsplans vor. Die Mitarbeiter des Consulting-Büros hatten auf Grundlage der Einwohner-/Schülerzahlen und der vorhandenen Raumkapazitäten an der Gemeinschaftsgrundschule Nachrodt-Wiblingwerde den Schulentwicklungsplan erarbeitet, der als Grundlage für den Ausbau des Ganztagsanspruches der Offenen Ganztagsgrundschule dienen soll.
Der neue Plan entstand auf Basis der Schüler-, Bevölkerungs- und Geburtenzahlen der Gemeinde sowie dem Flüchtlingszuzug. So wurde ein Bewertung erstellt, in wie fern das Schulangebot für die kommenden Jahre bedarfsgerecht ist. Dafür wurden beide Standorte separat betrachtet. Im Fokus stand zudem die Entwicklung im OGS-Bereich. Auch ging es darum, was das final bedeutet, ob beispielsweise Umbaumaßnahmen erforderlich werden.
Im Rahmen der Analyse wurde deutlich, dass die kleine Gemeinde in vielen Punkten besonders ist. So sind die Einwohnerzahlen bis 2016 deutlich gestiegen und sind seither stabil - und sogar weiterhin eher leicht steigend. Bei diesen Zahlen spielt der Flüchtlingszuzug jedoch auch eine Rolle. Auch die Geburtenzahlen sind stabil. Im Erhebungszeitraum gibt es Schwankungen zwischen 53 und 70 Geburten pro Jahr. "In der Prognose sehen wir hier kaum siginifikante Veränderungen", sagte Thomaßen.
Kalkulatorisch werde davon ausgegangen, dass 30 Flüchlinge pro Jahr in die Gemeinde kommen, davon seien drei bis vier im Alter von null bis zehn Jahren, verteilt auf rechnerisch 12 Klassen der Grundschule. "Die Auswirkungen sind also gering und eine seriöse Prognose ist damit nicht möglich." Auch seien keine Sondereffekte zu erwarten, wie beispielsweise durch größere Neubaugebiete.
Grundschule Nachrodt
Der Experte geht davon aus, dass sich die Schülerzahlen am Standort Nachrodt bei 194 einpendeln werden. Das heißt, dass die Anzahl der Klassen stabil bleiben wird und je Jahrgang zwei Klassen gebildet werden. 21 Prozent der Kinder werden im Ganztag betreut. "Das ist eine sehr niedrige Zahl. Das ist schon auffällig", erklärte Jürgen Thomaßen. Auffällig hoch ist hingegen die Nutzung der Randzeitenbetreuung. Diese nutzen 44 Prozent der Familien. "In NRW wird mittelfristig von einer Betreuungsquote von 80 Prozent ausgegagen. Vorsorglich planen wir daher mit 80 Prozent. Auch wenn der Anstieg deutlich langsamer als in anderen Kommunen sein wird", betonte der Experte.

Wiblingwerde
Auch am Standort Wiblingwerde werden die Zahlen konstant bleiben. Der Standort ist somit nicht in Gefahr. Kalkulatorisch werden sich die Schülerzahlen bei 101 einpendeln. Somit wird pro Schuljahr weiterhin eine Klasse gebildet.
Wiblingwerde spielte im Ausschuss nur eine Nebenrolle. Denn dort ist "alles gut", wie Jürgen Thomaßen erklärte. Das Raumangebot sei gerade so geschaffen worden, dass es für die Zukunft gut sei: "Es besteht zurzeit kein Handlungsbedarf." Beim stetigen Anstieg des OGS-Bedarfs könne irgendwann der Effekt eintreten, dass es sich nicht mehr lohnt, die Schüler für die Nachmittagsbetreuung nach Nachrodt zu bringen, sprich eine eigene OGS-Betreuung am Standort Wiblingwerde geschaffen werden muss. "Das ist kein Problem. Durch entsprechendes Mobiliar kann beispielsweise ein Klassenraum in Mehrfachnutzung für die OGS genutzt werden", erklärte Thomaßen. Möglich sei das beispielsweise für die Hauaufgabenbetreuung. Die Essenseinnahme wäre durch die Nutzung der Lehrküche gewährleistet. "Sollte der OGS-Bedarf langfristig auf 80 Prozent steigen, müsste ein zusätzlicher Betreuungsraum geschaffen werden. Dies könnte auf dem Grundstück realisiert werden", erklärte der Berater. Betonte jedoch, dass das gewiss noch nicht 2030 der Fall sei, sondern länger dauere.
In Nachrodt hingegen steige der Bedarf schneller und es gebe einiges zu tun. "Für die OGS Betreuung müssen mindestens vier Räume in Klassengröße geschaffen werden." Dies könne jedoch mit der bereits angedachten Containerlösung realisiert werden. Mindestens vier Container in Klassengröße müssten dafür auf dem Schulhof aufgebaut werden. "Langfristig ist dann eine Baumaßnahme sinnvoll. Sie sollten jedoch aufgrund Ihrer extrem niedrigen Zahlen erst einmal die Entwicklung abwarten", riet Thomaßen den Ausschussmitgliedern. Denn ein Bau sollte dann auch bedarfsgerecht sein. Es sei immer günstiger einmal richtig zu planen und zu bauen, als immer wieder anzubauen. Insofern halte er die derzeitigen Pläne der Gemeinde für sinnvoll. Die Räume im Untergeschoss, die dann frei würden, könnten beispielsweise als Mensa genutzt werden, ein Durchbruch zur Verbindung der beiden Räume wäre dabei sinnvoll. Das vorhandene Lehrerzimmer könnte in Bürofläche umgewandelt werden und die derzeitige Mensa wird zum Lehrerzimmer.
Einstimmig stimmten die Ausschussmitglieder dem Beschlussvorschlag für den Rat zu, den Schulentwicklungsplan so anzunehmen und umzusetzen.
Steuerungsgruppe OGS wird gebildet
Da das Thema OGS umfangreich ist, wurde zudem eine Steuerungsgruppe initiiert. Im Hinblick auf den Ganztagsanspruch ab August 2026, welche eine enge Kooperation zwischen den einzelnen Kooperationspartnern (Schule, OGS-Träger, Jugendamt und Schulträger) fordere, sei es wichtig, dass sich eine kommunale Steuergruppe etabliere, um die OGS systematisch und nachhaltig weiterzuentwickeln. Im gemeinsamen Dialog könnten auf dieser Basis kommunale Leitbilder und Qualitätsmerkmale entwickelt, sowie wesentliche Impulse zum Beispiel im Bezug auf die Erarbeitung von Rahmenkonzepten gesetzt werden. "Auch wenn wir im September Kommunalwahl haben, die konstituierende Sitzung wäre erst im November. Bis dahin ist viel Zeit vergangen. Ich halte es also für sinnvoll, dennoch diesen Arbeitskreis jetzt zu bilden", appellierte Bürgermeisterin Birgit Tupat an die Anwesenden. Die Verwaltung schlug daher vor, eine Steuerungsgruppe OGS, aus Vertretern von Schulleitung, Lehrervertretung, OGS-Träger, Schulpflegschaft, Schulträger und Schulausschuss zu bilden. Der Schulausschuss wird vertreten durch Steffi Birlenbach (UWG), Tanja Edelhoff (CDU) und Petra Wachtmeister (SPD). Dies wurde ebenfalls einstimmig beschlossen.