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2025 ist das Jahr der Fotografie in den Städtischen Museen. „Das hat sich so ergeben“, sagt Dr. Susanne Conzen, Leiterin der Stadtgalerie. Fotos von Annelise Kretschmer, Thomas Schielke und WOLS (eigentlich Alfred Otto Wolfgang Schulze) füllen alle Räume der Stadtgalerie.

 Die Bilder hängen, hier und da muss noch etwas an den Wänden retuschiert werden, am Donnerstag kümmerte sich das Team um die perfekte Beleuchtung. Der Ausstellungs-Dreierpack wird am Freitag, 25. Juli, um 19 Uhr eröffnet.

Im Mittelpunkt steht die Ausstellung „Kosmos des Lebens – die Fotografin Annelise Kretschmer“. Annelise Kretschmer zählt zu den bedeutendsten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Die Wanderausstellung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) zeichnet ihr Werk in vier Kapiteln nach. Die Fotos, die hier zu sehen sind, können als Konzentrat des Schaffens der Dortmunderin gelten. Ihr Nachlass, etwa 13.000 Negative und 2600 Fotos, ging an das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster. Erstmals waren Bilder aus dem Nachlass 2022 in einer Ausstellung mit dem Titel „Der Augenblick – die Fotografin Annelise Kretschmer“ in Münster zu sehen. Aus den damals gezeigten Werken hat Kuratorin Ute Christina Koch die aktuelle Wanderausstellung destilliert. Zu sehen sind zahlreiche Porträts, das Hauptwerk der Fotografin, sowie Modeaufnahmen und Bilder, die sie während eines mehrmonatigen Aufenthalts in Paris aufgenommen hat. „Sie zeigen in einer sehr kultivierten Bildsprache das Besondere im Alltäglichen“, sagt Dr. Susanne Conzen. Markenzeichen der Fotografin: Sie besaß die Sensibilität für den sprechenden Augenblick.

26 Jahre alt ist Annelise Kretschmer, geb. Silbereisen, als sie 1929 im zweiten Stock des Geschäfts­hauses ihrer Eltern in Dortmund ein Fotoatelier eröffnet – als eine der ersten Frauen in Deutsch­land.

Straßenspiele in der 1950er Jahren.
Foto: © Nachlass Annelise Kretschmer, LWL-MKuK, Münster. Reproduktion: LWL

Ausgehend von den charakteristischen künstlerischen Entwicklungen der Weimarer Republik – der Neuen Sachlichkeit und des Bauhaus‘ – erarbeitete sich Anne­lise Kretschmer (1903–1987) mit ihrem bildnerischen Werk eine eigenständige Position.

Die Porträtfotografie bildete schon früh den Schwerpunkt ihrer künstlerischen Arbeit. Die Porträts sollten möglichst natürlich wirken, so verzichtete Kretschmer auf Requisiten und auf jede Form der Inszenierung. Ihr eigenwilliges ästhetisches Konzept, das ungewöhnliche Bildausschnitte und Details in Nahsicht bevorzugt, wird von einer besonderen Sensibilität für den „sprechenden Augenblick“ bestimmt.

Während der 1930er Jahre – Kretschmer hatte einen jüdischen Vater – musste sie sich aus der Öffent­lichkeit zurückziehen und ihr Werk geriet zunehmend in Vergessenheit. 1950 erfolgte die Wiedereröffnung des Ateliers in Dortmund und recht bald ihre Aner­kennung als gefragte Fotografin. Ihre Porträts spiegeln das Selbstverständnis der bürgerlichen Nachkriegsge­sellschaft wider. Zu ihren Kunden zählten Persönlichkeiten aus Kultur und Kunst, Vertreter aus Wissenschaft und Industrie der wiedererstarkenden Rhein-Ruhr-Region.

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster. Das Museum hat im Dezember 2019 den Nachlass der Künstlerin erworben.

Henk Kosche hatte das Fotografenglück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Er erlebte während seines Studiums in Halle an der Saale 1989 die letzten Monate vor der Wende. Seine sensiblen, ästhetisch anspruchsvollen und hier und da feinhumorig gefärbten Fotografien führen in eine besondere Vergangenheit. Folglich lautet der Titel der Ausstellung „Zeitreise“. Sie fährt tatsächlich von Bildern aus dem tristen DDR-Alltag über Aufnahmen eines lustigen Studentenumzugs bis zum Foto, das zeigt, wie Menschen in den Westen drängen.

Traditioneller Studentenumzug in Halle an der Saale.
Foto: Henk Kosche

Die Fotos von WOLS zeigen unter dem Titel „Blickwechsel“ Frauenporträts aus den 1930er Jahren. Zu sehen sind Gesichter von Frauen, die zu dieser Zeit der Pariser Bohème zugerechnet wurden. Keins dieser Porträts entspricht einer herkömmlichen frontalen Gesichtsaufnahme. Vielmehr wurden die Frauen liegend von oben fotografiert. Das ist an Details wie Haaren oder Schmuck zu erkennen.

Diese Bilder stammen aus der Sammlung der Städtischen Galerie. Sie werden wie die anderen Fotos bis zum 26. Oktober zu sehen sein.