Mehrstöckige unterirdische Parkhäuser, Einkaufstempel auf Stelzen, die Altstadt und das Sauerfeld ein Meer von Terrassenhäusern, die Wilhelmstraße als doppelstöckige Ladenstraße – so erträumten sich in den 1960er Jahren Stadtplaner und Investoren das Lüdenscheid der Zukunft. Was bis heute daraus geworden ist, beleuchtete Sebastian Göttling mit einem Vortrag im Geschichtlichen Forum des Geschichts- und Heimatvereins (GHV) Lüdenscheid.

„Als Lüdenscheid von der Zukunft träumte und in Beton erwachte“ – der Podcaster („Rückspultaste“ und „Trek am Dienstag“) lockte mit dem provokant überschriebenen Vortrag rund 100 Lüdenscheiderinnen und Lüdenscheider in den großen Saal der Stadtbücherei. „So voll war’s hier selten“, sagte Dr. Dietmar Simon, stellvertretender GHV-Vorsitzender, bei der Vorstellung des Referenten. Viele der Besucherinnen und Besucher, so stellte sich heraus, kennen das alte Lüdenscheid und verbinden viele Erinnerungen mit den Orten, die Sebastian Göttling ansprach.

Als in den 1960er Jahren feststand, dass Lüdenscheid an die Autobahn angeschlossen werden würde, taten sich zwei Möglichkeiten auf. Entweder fließt Kaufkraft aus der Bergstadt in die umliegenden größeren Städte ab oder Lüdenscheid wird selbst zur Einkaufsstadt. Es herrschte Aufbruchsstimmung. Die Stadt hatte wieder an frühere wirtschaftliche Erfolge angeknüpft. Und so witterten Investoren Morgenluft. Lüdenscheid sollte aus dem Dornröschenschlaf erwachen.

Sebastian Göttling bescherte dem Publikum einen unterhaltsamen Abend.
Foto: Wolfgang Teipel / LokalDirekt

So entstanden das Sauerland-Center, das City-Center (CCL) und der sogenannte Knödler-Bau (später: Forum am Sternplatz) – gedacht als Hotel-Turm mit Luxus-Geschäften (Sauerland-Center) als Einkaufsparadies (CCL) und Freizeitzentrum (Forum). Dazu kam das Gothaer Haus, damals „Querspange“ genannt, ebenfalls als Einkaufszentrum. „Damals sprachen die Planer nicht von Betonklötzen. Sie nannten die Gebäude ‘städtebauliche Dominanten‘“, sagte Sebastian Göttling. Heute bewahrheite sich, was der damalige Rechtspfleger Balzer schon damals so zusammenfasste: „Wahrscheinlich alles eine Nummer zu groß.“

Alle Gebäude erlebten Besitzerwechsel, Um- und Anbauten, immer in der Hoffnung, dass die Träume in Erfüllung gehen würden. „Dass später einmal Amazon-Chef Jeff Bezos als der böse reiche Onkel aus Amerika diese Seifenblasen zerplatzen lassen würde, konnte damals niemand ahnen“, stellte Sebastian Göttling fest. Aber nichtnur der Online-Handel stürzte den innerstädtischen Einzelhandel in eine Art Dauerkrise.

Ohnehin herrschten zu dieser Zeit kaum Zweifel und Zukunftsangst. Lüdenscheid sonnte sich im Optimismus und war stolz aus sein 1981 eröffnetes Kulturhaus. „Lüdenscheid grüßt den Rest des Landes“, befeuerte WDR-Moderator Manfred Erdenberger den Hochmut der Bergstädter. 1983 sollten die Stuttgarter Architekten für ihr „herausragendes Gebäude“ den "Architekturpreis Beton", einen der ältesten Architekturpreise Deutschlands, erhalten. Solche eine Ehre wurde den anderen Beton-Dominanten in Lüdenscheid nicht zuteil.

Sebastian Göttling dankte dem WDR, dem Stadtarchiv und insbesondere Fabian Paffendorf. Der Lüdenscheider Journalist habe mit seiner Dokumentation CCL aktuell – Geschichte und Geschichten der ersten Lüdenscheider Einkaufscenter eine bedeutende Dokumentation erstellt, auf die er für seinen Vortrag zurückgegriffen habe.

Sebastian Göttling bescherte den Besucherinnen und Besuchern einen unterhaltsamen Abend, garniert mit vielen Bildern und einigen Filmausschnitten. Einer der Einspieler beschwor die Erinnerungen einer Besucherin an ihre Großeltern herauf. Sie tauchten in einem WDR-Film auf, in dem es um den Erhalt der vom Abriss bedrohten Altstadt ging.