"Wir wussten, dass es nicht gut lief, aber das war krass!", so beschreibt eine Leoni-Mitarbeiterin den Moment, in dem die 120 Mitarbeiter des Automobilzulieferers erfuhren, dass das Werk in der Alfred-Jung-Straße geschlossen wird.

"Ich bin aus der Versammlung nach Hause gelaufen und konnte nur noch weinen. Das ganze Wochenende habe ich mich dann eingeigelt", erzählt Karina Kopietz von dem Moment, der die ganze Belegschaft fassungslos zurückließ.

Jetzt, einige Wochen nach der schlechten Nachricht, ist es ihr aber ein Herzenswunsch vor allem Geschäftsführer Dr. Christian Schmider Danke zu sagen.

Danke für 12 Jahre, in denen die gelernte Rechtsanwalts- und Notargehilfin erleben durfte, wie wohl man sich bei einer Firma fühlen kann. Danke für das Gefühl, in einer großen Familie angekommen zu sein, Danke für Unterstützung in einer finanziellen Notlage, Danke für Menschlichkeit, Empathie und Zusammenhalt.

"Als wir an dem Montag nach der Schließungsmitteilung wieder zur Arbeit kamen, war die Stimmung sehr gedrückt", erinnert sich Karina Kopietz. "Natürlich hat jeder Zukunftsängste, aber alle wissen auch, was sie hier bei Leoni verlieren", weiß die 40-jährige.

Dabei denkt sie an das miteinander Arbeiten ohne Hierarchien, an die kleinen Aufmerksamkeiten, wie beispielsweise ein Eis, wenn es warm war, oder den immer zur Verfügung stehenden Obstteller. "Mir persönlich wird natürlich immer in Erinnerung bleiben, dass Dr. Christian Schmider mir, als mein Auto von jetzt auf gleich nicht mehr fahrbereit war, einen zinslosen Kredit angeboten hat, damit ich wieder mobil war. Wo erlebt man denn sonst so etwas?", fragt sie sich.

Symbolfoto:
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Auch eine andere Geschichte habe ihr gezeigt, wie eng man bei Leoni miteinander verbunden ist. "Einen Jungendfreund, den ich aus den Augen verloren hatte, traf ich bei Leoni wieder. Leider hatte er vor rund fünf Jahren einen schlimmen Unfall, sitzt seither im Rollstuhl und lebt in einem Seniorenheim. Auch wenn dieser Unfall nichts mit dem Betrieb zu tun hatte und er auch schon so lange her ist, erkundigt sich Dr. Schmider immer wieder bei mir, wie es ihm denn geht und ob er etwas für ihn tun könne."

Erlebnisse wie diese machen es Karina Kopietz, die bei Leoni in der Produktion angefangen hat und vor neun Jahren ins Büro wechselte, umso schwerer, die Tatsache zu akzeptieren, dass spätestens zum Jahresende die Tore bei Leoni geschlossen sein werden. "Noch kennen wir den Sozialplan nicht", sagt sie, aber als alleinstehende, kinderlose Mitarbeiterin fürchtet sie, bei den ersten Kündigungen dabei zu sein.

Dennoch hat sie noch nicht begonnen, sich nach einer neuen Stelle umzusehen. "Ich weiß, dass ich das irgendwann muss", gibt sie zu, "aber ich möchte der Firma - wenn es möglich ist - bis zum letzten Tag die Treue halten. Ich bin hier emotional gebunden - und das geht nicht nur mir so!" Die Kollegen machen sich untereinander immer wieder Mut. "Wir versuchen, das Beste daraus zu machen und unterstützen uns gegenseitig, noch mehr als vorher", berichtet sie über den Zusammenhalt in der Belegschaft.

Und dieses Miteinander sei von Anfang an da gewesen, sagt die Leoni-Mitarbeiterin weiter. "Ich bin Migränepatientin und habe von meinen Kollegen nie ein abfälliges oder böses Wort gehört, wenn ich deshalb ausgefallen bin. Ganz im Gegenteil. Die Mitarbeiter haben mich eher nach Hause geschickt, wenn sie mir die Schmerzen ansahen, als sich darüber zu beklagen, dass ich ausfiel."

Die 40-Jährige erzählt weiter davon, wie sie die Schließung des Werks empfunden habe: "Die letzten Jahre mit Kurzarbeit waren schon schwierig - aber wir haben gekämpft. Dann bekamen wir die Info, dass es die nächsten drei Monate keine Kurzarbeit geben würde." Die Erleichterung hielt aber nicht lange an, denn noch während dieses Vierteljahres fiel die endgültige Entscheidung über die Schließung. "Wir wussten ja alle, dass es nicht gut läuft - aber das war krass", erinnert sich Karina Kopietz rückblickend. "Wir alle wissen, dass es nicht Dr. Schmiders Idee war, das Werk zu schließen und dass auch ihm diese Entscheidung sehr, sehr schwer gefallen ist. Das sah man ihm bei der Versammlung am 27. Juni deutlich an und genau deshalb möchte ich ihm - auch in aller Öffentlichkeit - dafür danken, dass er immer für die Belegschaft da war." Auch jetzt habe der Geschäftsführer noch immer ein offenes Ohr für alle, so Kopietz. "Er hat sogar bei anderen Halveraner Betrieben wegen einer Übernahme seiner Leoni-Mannschaft nachgefragt." Ein kleiner Hoffnungsschimmer für sie und ihre Kollegen, vielleicht einen Arbeitsplatz zu finden, bei dem sie sich ebenso aufgehoben fühlen, wie an ihrer alten Wirkungsstätte.