Wirklich schön ist es Am Ravenshagen.  Das liegt ganz oben im Wohngebiet Rathmecke, gefühlt "doppelt oben" über dem Rahmedetal. Um dorthin zu kommen, muss man mehrfach scharfe Kehren fahren und sich auf 344 Höhenmeter jenen Berg hinaufmäandern, der der Siedlung den Namen gibt. Selbst Bürgermeister Sebastian Wagemeyer, gebürtiger Lüdenscheider, „eingeboren“ am Oberen Worthhagen und einst damit kaum drei Kilometer Luftlinie von der Rathmecke entfernt ansässig gewesen, muss passen: „Hier bin ich mein Leben noch nie gewesen“. Na, das will was heißen!

Der Bürgermeister ist Am Ravenshagen vorgefahren, schaut sich in dieser Siedlung um, die einen gepflegten, pieksauberen Charme vermittelt. Im hellen Sonnenlicht des Morgens wirkt die Straße so, als könnte man hier einen 70er-Jahre-Film drehen, der von guter Nachbarschaft und bürgerschaftlicher Gemeinschaft handelt. Und tatsächlich – genau davon hat die Situation in diesem Moment etwas. Denn: Die Haustür von Karin und Hermann Felske ist liebevoll mit einer Girlande aus Bindegrün, gelben Rosen und großformatigen Tüllblumen dekoriert. Darüber prangt der Ehrenkranz „Gratulation zur Eisernen Hochzeit“ mit der „65“ im Hufeisen. „Unsere Nachbarn haben gestern geschmückt“, erklärt Karin Felske dem Bürgermeister. Gemeinsam mit ihrem Ehemann steht sie parat, um Wagemeyer zu begrüßen.

Das Jubelpaar führt den Rathauschef in Wohn- und Esszimmer, von dem aus sich eine großartige Aussicht weit über das Rahmedetal eröffnet. 1971 haben die Felskes hier in Eigenleistung gebaut und sich ihren Traum vom eigenen Haus erfüllt. Ihre 65 Jahre währende Ehe war eine Fleißleistung, das soll später im Gespräch mit dem Bürgermeister anklingen. Felskes haben sich nie geschont, haben gearbeitet und gewirkt, Kinder großgezogen, Enkel und Urenkel betreut, haben sich gesellschaftlich eingebracht. Aber erstmal gibt es jetzt Kaffee und Torte – vor dem Panoramafenster und dem grandiosen Talblick sitzt es sich auch für den Bürgermeister wie im Café.   

65 Jahre ist das auf den Tag genau her - Karin und Hermann Felske heirateten 1960.
Foto: / Repro Aschauer-Hundt

„Vor 65 Jahren war das Wetter wie heute“, erinnert sich Karin, die Jubelbraut. „Wir hatten 29 Grad und Sonne.“ Ganz anders sei es bei der Silberhochzeit gewesen. „Da gabs morgens Frost.“

Karin Felske ist nicht nur gebürtige Lüdenscheiderin, sondern sie stammt vom Rathmecker Weg. „Ich sag‘ immer, dass ich nicht weit gekommen bin“, spöttelt sie gewinnend über sich selbst. Hermann Felske hingegen ist gebürtiger Ostfriese, kam 1957 aus Bunde im Rheiderland nach Lüdenscheid.

Bunde liegt im Kreis Leer, aber westlich der Ems und damit direkt an der Grenze zu den Niederlanden. Das war in den 50er Jahren so etwas wie ein – pardon - ganz westliches Zonenrandgebiet der jungen Bundesrepublik. „Da gab’s keine Arbeit“, erinnert sich Hermann Felske. Sein Onkel wohnte in Brügge und holte den jungen Elektriker mit dem Versprechen, hier gebe es Arbeit genug, nach Lüdenscheid. Felske startete bei Elektro Jungkurth und wurde später Betriebselektriker bei Kremp & Hüttemeister.

Seine spätere Frau lernte er beim Sport bei einem Leichtathletik-Turnier in Wiblingwerde kennen. An dieser Stelle übernimmt wieder Karin das Gespräch. „Ich bin im nächsten Jahr 75 Jahre Mitglied bei TuRa Eggenscheid“, bekennt sie stolz. Hermann kann da naturgemäß nicht mithalten, wirft aber ein, dass er 40 Jahre bei TuRa Übungsleiter der Männerriege war. Dem BVB sind beide treu verbunden, besitzen Trikots, hissen bei Spielen die schwarz-gelbe Vereinsfahne hoch über dem Tal im Garten, kennen sich auch im Westfalenstadion aus. „Und wir sind beide viele, viele Jahre Kampfrichter der LG gewesen“, ergänzt Karin wieder und schiebt nach, dass sie bis auf den heutigen Tag jeden Montag als Übungsleiterin und Ansprechpartnerin die Nordic-Walking-Truppe von TuRa Eggenscheid anleitet und zusammenhält. Kurzum: Wer rastet, der rostet.

Felskes rosten nicht, rasten nicht. Dabei ist den beiden der Sport nicht alles. Zusammen haben die Eheleute bis zum Schluss im Medardus-Chor gesungen, Hermann als Bass-Stimme, Karin im Alt. „Ich singe heute noch im Frauenchor Cantabile Lüdenscheid“, freut sich die Jubelbraut – und den Bürgermeister, der bekanntlich musikbegeistertes Bandmitglied und Frontman der Gruppe root war, aber auch als Solokünstler immer wieder auftritt, freut’s mit.

Singen und Sport sind das eine, gesellschaftliches Engagement ist das andere. Hermann Felske hat viele, viele Jahre als ehrenamtlicher Hausmeister die Hermann-Gmeiner-Schule am Dickenberg betreut sowie zehn Jahre lang dem Friedhofsverband und der Evangelischen Kirche Oberrahmede gedient. Karin Felske, sie absolvierte ihre kaufmännische Ausbildung bei der Chemischen Fabrik Dr. Hofmann Lacke in der Oberrahmede, war 30 Jahre in der Verwaltung des SOS-Kinderdorfes beschäftigt. Das ging weit über die reine Bürotätigkeit hinaus; hier ging es um Kinderseelen.

Selbst haben Felskes zwei Söhne großgezogen, Jörg und Thomas. Die sind übrigens beide Mitglieder und Führungskräfte der Freiwilligen Feuerwehr geworden, Jörg in der Oberrahmede, Thomas in Rärin. Vater Hermann hingegen war nie Mitglied einer Einsatzabteilung, war eher die gute Seele im Hintergrund. „Er hat die beiden Feuerwehrmänner aus unserer Straße, die selbst kein Auto hatten, immer zum Gerätehaus gefahren, sobald die Sirene lief“, schmunzelt Sohn Jörg – und ergänzt: „Und dann hat er auf der Tafel im Feuerwehrhaus nachgeguckt, wohin die Wehr ausrücken musste.“ Das waren die Zeiten, als es noch keine digitalen Meldeempfänger gab …

Eine tolle Gemeinschaft gibt es Am Ravenshagen hoch über dem Rahmedetal. Die Nachbarn haben den Eingang der Felskes wunderschön geschmückt. Ein Erinnerungsfoto mit dem Bürgermeister ist ein Muss.
Foto: Aschauer-Hundt

Vier Enkel und fünf Urenkel hat das Jubelpaar; die nachrückenden Generationen sind der ganze Stolz der beiden. Eine große Familienfeier wird am Samstag mit 60 Personen im Festzentrum auf der Hohen Steinert gefeiert. Alle sind sie da, auch Schwester Marianne Hilbrands aus Bunde ist aus dem Norden gekommen. Alle Auswärtigen sind privat in den verschiedenen Felske-Wohnstätten untergebracht. Die Familie hält zusammen.  

Der Bürgermeister hat ein Lüdenscheid-Buch als Geschenk mitgebracht - und eine lange Widmung - mit der Hand - hineingeschrieben.
Foto: Aschauer-Hundt

Der Bürgermeister hat’s wahrscheinlich geahnt. Es hat nicht nur die Urkunde der Stadt Lüdenscheid mitgebracht, sondern auch ein Exemplar des Wolfgang Schumacher-Buches „Grüße aus Lüdenscheid“. Eine lange Widmung hat er hineingeschrieben, endend mit der Feststellung, dass Liebe das sei, was man gemeinsam schaffe.

Sieben Jahrzehnte Lüdenscheider Geschichte, 65 Ehejahre von Karin und Hermann Felske sind bei Kaffee und Torte vor dem beeindruckenden Gebirgspanorama des Rahmedetales transparent geworden. Vor der girlandengeschmückten Tür des Hauses entsteht noch ein Erinnerungsbild mit Bürgermeister und Jubelpaar. Dann verabschiedet sich Sebastian Wagemeyer von seinen Gastgebern. Für sie aber geht jetzt die Feier jetzt erst richtig los, am Samstag mit der Großfamilie, in der nächsten Woche beim Nachtreffen mit der Nachbarschaft. Denn man feiert in der Rathmecke die Feste wie sie fallen…