In einer Obdachlosenunterkunft in Lüdenscheid kommt es Anfang März 2023 zu einem brutalen Zwischenfall.
Zunächst sitzen vier Männer friedlich zusammen in einem Zimmer. Je später es wird, desto höher steigt der Alkoholpegel. Die Stimmung kippt. Das Thema kommt auf Geld, genauer gesagt auf 50 Euro, die ein 44-Jähriger einem der anderen Männer für den Kauf von Alkohol gegeben hatte. Er hatte allerdings keine Spirituosen besorgt, sondern den Betrag für sich behalten. Das sagt der 44-Jährige jedenfalls im Amtsgericht Lüdenscheid aus. Dort ist er wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt.
Es sei zum Streit gekommen. Zuvor habe der andere mit seinen Tätowierungen geprahlt und mit Kontakten zu den Hells Angels angegeben. Die 50 Euro habe er nicht herausrücken wollen, so der Angeklagte. Stattdessen habe er damit gedroht, ihn zu erschießen. „Ich stand vor ihm und er saß. Er hat ruckartig nach hinten gegriffen, als würde er eine Waffe nehmen", erklärt der 44-Jährige. Aus Panik habe er seinem Gegenüber eine leere, 0,7-Liter-Flasche Mümmelmann über den Schädel gezogen: „Ich habe aber nicht so doll zugeschlagen. Die Flasche ist nicht zerbrochen."
Genau das behauptet der Geschädigte aber im Zeugenstand. Eine Diskussion über 50 Euro habe es nicht gegeben und mit Erschießung habe er auch nicht gedroht, gibt der 39-Jährige an. Er räumt aber ein, von Verbindungen zu den Hells Angels gesprochen zu haben. Der Schlag hatte eine etwa 1 Zentimeter lange und 0,5 Zentimeter tiefe Platzwunde verursacht. Seither habe er bei Kälte immer Kopfschmerzen, sagt der Geschädigte. Einer der Mittrinker bestätigt im Gericht die Prahlerei mit den Hells Angels. Zu einer Bedrohung und der Körperverletzung könnte er allerdings nichts sagen. Er sei zum Zeitpunkt des Angriffs nicht im Zimmer gewesen.
Der vierte Mann der Runde ist unauffindbar. Er kann nicht als Zeuge gehört werden. Und so stehen lediglich die Aussagen des Angeklagten und des Geschädigten zur Verfügung. „Weitere Beweismittel haben wir nicht", fasst der Richter zusammen. Aus seiner Sicht sind die Angaben des 44-Jährigen schlüssiger und durch die Aussage des Geschlagenen nicht zu widerlegen. Dessen Zeugenaussage sei lückenhaft und teilweise widersprüchlich. So ergebe sich aus der Prozessakte, dass vor Ort keine zerbrochenen, sondern nur heile Flaschen gefunden worden waren. Das passte nicht zu dem, dass die Flasche laut Zeugen zerbrochen sei. Der Vorsitzende geht davon aus, dass es den Streit um die 50 Euro gegeben hat und der Angeklagte im Glauben daran, erschossen zu werden, in Notwehr gehandelt hatte. Ergebnis: Freispruch.