Die Szene, die sich am 10. Mai 2024 an der Kreuzung L692/Heedfelder Straße in Lüdenscheid abspielt, könnte aus einem Actionfilm stammen. Es ist etwa 16 Uhr, als sich zwei Autos von der Autobahn kommend der Kreuzung nähern. Aus dem vorderen Wagen steigt plötzlich der etwa zwei Meter große Fahrer aus. In der Hand hält er ein massives Kampfmesser mit 18 Zentimeter langer Klinge.
Damit soll er den ebenfalls ausgestiegenen Fahrer des Wagens hinter ihm gedroht haben, ihn abzustechen. Der Mann soll dem Messerträger daraufhin wirkungslos Parfum ins Gesicht gesprüht haben. Der Fall landet im Amtsgericht Lüdenscheid. Dort soll die Frage geklärt werden, ob der angeklagte Mann mit dem Messer den anderen Fahrer tatsächlich bedroht und ihm gegenüber eine versuchte gefährliche Körperverletzung begangen hatte.
Der Angeklagte aus Rheda-Wiedenbrück ist 56 Jahre alt. Er ist Bosnier, hat lange Kampfsporterfahrung und in seinem Heimatland als Soldat einer Spezialeinheit gedient. Zum Tattag gibt er an, mit seiner Frau, seinen beiden Teenagersöhnen und seiner Mutter auf dem Weg zu seinem Bruder auf der A45 gewesen zu sein. Der Wagen hinter ihm habe sehr gedrängelt, mehrfach gehupt und Lichthupe gegeben.
In Lüdenscheid hätten sie wegen der Vollsperrung abfahren müssen. Der Hintermann sei weiter sehr dicht aufgefahren. „Er hat uns richtig Angst eingejagt“, sagt der Angeklagte. Deshalb sei er an der Ampel ausgestiegen, um den Verfolger zu fragen, was das Ganze sollte. Der Mann sei aggressiv aus seinem Auto raus: „Wie ein Wahnsinniger aus einem Katapult.“ In einer Hand habe er Pfefferspray und in der anderen einen Gegenstand gehabt. „Ich bin in mein Auto zurück und habe ein Messer gezogen. Es ist ein Andenken an meinen Vater. Wir haben damit auf der Fahrt trockenes Fleisch geschnitten“, erklärt der 56-Jährige.
Er habe dem anderen Mann nicht damit gedroht. Stattdessen habe er sich wieder in sein Auto gesetzt. Der andere sei zu ihm gekommen, habe die Fahrertür zugedrückt und dabei sein Bein eingeklemmt. Er selbst habe das Messer nicht mehr in der Hand gehabt. Durch das leicht geöffnete Fenster habe der andere Mann Pfefferspray in sein Auto gesprüht. Seine Frau und seine Mutter hätten ihn zurückgehalten und damit am Aussteigen gehindert: „Es war Antiaggressionsspray für Hunde oder Bären. Das ist verboten gegen Menschen. Ich kenne Pfefferspray. Es war kein Parfum.“
Der Mann habe schließlich aufgehört, gegen die Fahrertür zu drücken und sei in seinen Wagen zurück. Er und seine Familie hätten den Wagen durchgelüftet, so der 56-Jährige. “ Ich habe dann das Messer genommen und aus Wut ins Gebüsch geworfen“, sagt der Angeklagte.
Der Mann aus dem anderen Wagen (39) erklärt im Gericht, mit seinem zehnjährigen Sohn aus Dortmund gekommen zu sein. Der Angeklagte habe auf der A45 mehrfach ohne zu blinken die Spur gewechselt: „Ich habe einmal gehupt.“ An der Kreuzung sei der 56-Jährige mit einem Messer in der Hand ausgestiegen. „Mein Sohn hat geschrien. Ich habe gesagt, der Mann machte nur Spaß.“
Der Angeklagte sei zu seinem Auto zurück. „Ich bin hinterher. Er war sehr voller Wut, Hass und Zorn. Meinen Sohn habe ich im Auto eingeschlossen. Ich hatte einen Schlüssel in der Hand.“ Pfefferspray habe er nicht gehabt. Und auch mit Parfum habe er nicht gesprüht, so der Zeuge. Am Wagen des Angeklagten habe er die Tür zugedrückt. „Ich habe die ganze Zeit auf das Messer im Auto geguckt. Ich habe nur die Klinge gesehen. Es war wie ein Rambomesser.“
Als die Beifahrerin das Handgelenk des 56-Jährigen festgehalten habe, habe er die Chance genutzt und sei weggelaufen, so der Plettenberger. Danach seinen alle losgefahren. Von seinem Auto aus habe er die Polizei verständigt, erklärt der 39-Jährige. Nach etwa acht Kilometern hätten die Beamten den Angeklagten auf dem Lidl-Parkplatz gestoppt.
Das Gericht hört viele Zeugen. Deren Aussagen bezüglich eines Pfeffersprays gehen auseinander. In einem Punkt sind sich alle einig: Der Angeklagte war nicht mit dem Messer auf den anderen Autofahrer losgegangen. Damit scheidet eine versuchte gefährliche Körperverletzung am Ende aus. Übrig bleibt eine Bedrohung. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft. Die Richterin stellt sein Verfahren vorläufig gegen Zahlung von 300 Euro an das Kinderhospiz in Olpe ein.