Joel greift zum Schweißbrenner – und beginnt eine Naht zu ziehen. „Sehr gut“, lobt SIHK-Ausbilder Mike Stirler. Während die Schweißnaht länger wird, riecht es nicht nach Metall. Kein Funkenflug, keine Hitze, kein lärmender Schweißbrenner. Stattdessen herrscht konzentrierte Stille. Mit dem Brenner fährt er langsam an Markierungen vorbei, die aussehen, wie QR-Codes. Auf zwei Bildschirmen wird die Schweißnaht angezeigt und die Qualität der Arbeit direkt ausgewertet.
Inmitten dieser futuristisch anmutenden Szenerie trägt Joel einen Zusatz, der aus der Gesichtsschutzmaske eine Augmented Reality-Brille macht. „Das ist die Zukunft“, sagt Mike Stirler und schaut zufrieden zu, wie Joel im Schweißsimulator seine virtuellen Bahnen zieht. „Noch vor ein paar Jahren hätte das keiner für möglich gehalten.“
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Stirler deutet auf den Schweißhelm, der gleichzeitig als Virtual Reality-Brille dient. „Die Lernenden sehen die Schweißnaht, den Lichtbogen, das Werkstück – alles ist so real, dass man fast vergisst, dass es nur eine Simulation ist.“ Joel nickt zustimmend, ohne seinen Fokus zu verlieren. Die digitale Welt verschmilzt mit der Realität.
An einem anderen Tisch steht Henry. Er trägt ebenfalls eine 3D-Brille und rüstet in einer virtuellen Umgebung eine Maschine – hier kann virtuell gedreht und gefräst. Seine Bewegungen sind fließend, er greift nach Werkzeugen, die nur in der digitalen Welt existieren. Markus Turck, Ausbilder in der SIHK-Lehrwerkstatt Lüdenscheid, beobachtet ihn. „Die jungen Leute sind in dieser Welt zu Hause. Sie lernen anders – selbstständig, digital, und dabei darf der Spaß nicht zu kurz kommen.“
Die Jugendlichen sind von der Technik beeindruckt. Die Zeiten haben sich geändert: In doppelter Hinsicht. Während die Unternehmen und Ausbildungen immer moderner werden, nimmt die Zahl der Auszubildenen ab. Daher auch der Tag der Ausbildung. „Die Zeiten haben sich geändert. Früher hatten wir jedes Jahr sechs oder sieben neue Azubis“, sagt Axel Schnöring, Geschäftsführer des Unternehmens. Sowohl die Qualität als auch die Quantität haben sich geändert. „Und oft müssen wir zusätzlich Nachhilfe anbieten, um Wissenslücken zu schließen, besonders in Fächern wie Mathematik.“
Neben den spannenden Einblicken in die virtuelle Welt bot Schnöring an diesem Tag auch Rundgänge durch die Produktionshallen an. Hier konnten die Besucher die Vielzahl an Ausbildungsmöglichkeiten direkt vor Ort kennenlernen. Die Mitarbeiter des Unternehmens führten durch die Werkstätten und erklärten, wie abstrakte Begriffe wie „Drahtbiegeteile“ und „Baugruppen“ in alltäglichen Gegenständen zum Einsatz kommen. „Was viele nicht wissen: Teile von Schnöring finden sich wohl in fast jedem Haushalt“, erklärte einer der Mitarbeiter. Ob in Elektrozahnbürsten, Steckdosen, dem Softclose-Einzug bei Möbeln oder vielen anderen Dingen – Schnöring-Teile werden in vielen Produkten verbaut.
Die Besucher staunten, als sie erfuhren, dass die unscheinbaren Federn und Biegeteile, die hier in Serie produziert werden, in so vielen alltäglichen Gegenständen stecken. Schnöring, das auf einer beeindruckenden Fläche von 16.000 Quadratmetern fertigt, liefert seine Produkte weltweit und bedient dabei Branchen von der Elektroindustrie über Möbel bis hin zur Automobilbranche – und sogar Asthmaspray-Inhalatoren.
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Trotz der beeindruckenden Technologien und der vielfältigen Möglichkeiten, die Schnöring bietet, steht das Unternehmen vor Herausforderungen. Angesichts der bevorstehenden Pensionierungen vieler Mitarbeiter aus den „Boomer-Jahren“ werden nicht nur die Ausbildung junger Menschen, sondern auch Umschulungen und Weiterbildungen immer wichtiger. „Wir müssen neue Wege finden und gehen“, betont Axel Schnöring. Der „Tag der Ausbildung“ sei einer von vielen Schritten.
Sowohl die Führung als auch die Angebote der SIHK beeindrucken. „Das bleibt im Kopf“, sagt eine Besucherin. Ihr Blick wandert zu Joel, der gerade seine AR-Brille abnimmt. Ein Stück Zukunft zum Anfassen – und das mitten in der Gegenwart.