„Reggae vereint die Menschen“ konstatiert Gentleman auf die Frage, warum er immer noch an diese Musikrichtung von der kleinen karibischen Insel Jamaika glaubt. „Es steckt etwas ganz Grundlegendes in Reggae, das jeder Mensch sofort versteht. Zudem hat Reggae und Dancehall die gesamte Pop-Musik so intensiv beeinflusst, dass heute viele danach klingen. Aber dieses Echte, Authentische, das kann nur entstehen, wenn man die Musik auch auf einem spirituellen Level fühlt.“ Deshalb schließt sich für ihn auch ein Kreis mit dem neuen Album „Mad World“, welches wieder vollständig auf Englisch gesungen ist.
Englische Songs für eine universelle Message
„Die Songs auf deutsch waren wichtig und notwendig und haben mich als Künstler auch stärker definiert“, sieht Gentleman seine Arbeit um das deutschsprachige Album „Blaue Stunde“ aus dem Jahr 2020.
Mit „Mad World“ knüpft er da an, wo einst seine „Journey to Jah“ begann und richtet sich wieder an eine globale Audience.
„Englisch spricht Menschen auf der ganzen Welt an und die Message in meiner Musik und in meinen Songs ist auch universal. Deshalb war es für mich nur logisch, wieder auf Englisch weiterzumachen“, so Tilmann Otto, das ist Gentlemans bürgerlicher Name, über die Rückkehr von seinem sprachlichen Ausflug.
„Chaotischer Zustand der Gesellschaft“
„Mad World“ als Albumtitel beschreibt den aus der Sicht des Beobachters immer chaotischeren Zustand unserer Gesellschaft. Gentleman kann als Künstler und Musiker nicht neutral oder unpolitisch sein, sondern sieht es als seine Aufgabe an, Probleme zu benennen und Auswege zu bieten. „Reggae hat seinen rebellischen Charakter nie verloren, es ist Teil seiner DNS, unbequeme Dinge anzusprechen – und sie gleichzeitig mit der Hoffnung zu versehen, dass man sie überwinden kann.“
Selbstbestimmtheit und Zuversicht waren schon immer der für ihn relevante Kern der Philosophie des Reggaes. Das galt damals Anfang der 90er, als er als HipHop-Fan bemerkte, dass die Jamaikanischen Dancehall-Acts nochmal mehr und nochmal Brisanteres zu erzählen hatten und ihre MC- Styles nochmal drastischer und extremer waren als jene der bereits erfolgreicheren und kommerzialisierteren US-Amerikanischen Rapper.
Und das gilt auch heute noch, wenn Dancehall und Afrobeats weltweit durch die Charts pumpen und Gentleman für sich selbst die Botschaft seines Reggae neu definiert. Dabei lässt er sich nicht in die Schemata von Parteien oder fixen politischen Gesinnungen pressen, sondern steht schon immer für seine eigene Philosophie einer besseren Welt für alle.
Flucht vom oberflächlichen Großstadtleben
Das Album „Mad World“ entstand in einer Phase in Gentlemans Leben, in der er dem schnellen und gleichzeitig oberflächlichen Leben der Großstadt entfloh und sich inmitten der inspirierenden Landschaft Mallorcas neu situierte: Organic Food, self-sustainable Lifestyle, weniger digitale Ablenkung, mehr natürliche Eindrücke bestimmen nun seinen Alltag. Diese Reduktion der Komplexität spiegelt sich in den Songs wider: Die Lösungen für eine immer komplizierter werdende Welt liegen in der Einfachheit. Und im Glauben daran, dass letzten Endes das Gute doch triumphieren wird – sei es im großen Ganzen oder im Kleinen, Persönlichen.
„Licht der Hoffnung siegt“
Die Songs sind geprägt von einer umfassenden Liebe, die alles verstehen will, wenngleich sie auch vor Entsetzen vor der Welt da draußen zurückschreckt. Dennoch siegt am Ende immer das Licht der Hoffnung – vielleicht eine Konstante, die sich aus seiner christlichen Erziehung als Pastorensohn durchzieht.
Auch musikalisch spürt man auch die Weiterentwicklung und Spezialisierung: Feinfühlig arrangierte, modern produzierte und kraftvoll wirkende Instrumentals bringen seinen Sound zeitgenössisch anspruchsvoll über die Membrane. So klingt sein Reggae nicht rückwärtsgewandt und sondern nach einem neuen Sound, passend zur neuen Zeit. Insgesamt wirkt „Mad World“ wie ein Heilmittel genau entgegen jener verrückten Welt, wie eine musikalische Therapie, die einen aus einem Tief heraus mitnimmt, um das nächste Hoch zu erreichen.