„Lüdenscheid kann jetzt Festival. Unsere Region kann Festival.“ Phillip Nieland blickt stolz und zufrieden auf das Bautz zurück. Eine gute Woche ist vergangen, seit mehr als 22.000 Menschen im Nattenberg-Stadion feierten. Friedlich und familiär – eben ganz so, wie es sich der Bautz gewünscht hat. Das macht das Festival aus. Die Zeit und den Abstand brauchte der Organisator nun, um durchzuatmen. Einen klaren Kopf zu bekommen. Denn es war wohl das bislang turbulenteste Festival, sagt Nieland. Und mit rund 11.000 Gästen pro Tag gleichzeitig die besucherstärkste Auflage. Der Bautz-Chef nahm sich die Zeit, die er brauchte, um nun besonnen und ehrlich auf Lob und Kritik reagieren zu können.
Ein Festival für alle
„Einfach irre, dass sowas möglich ist. Das habe ich mir niemals ausmalen können, als wir 2019 ganz naiv angefangen haben“, sagt Nieland. Besucher, Künstler und Agenturen – sie alle hätten im Laufe der Jahre immer mehr die Idee hinter dem Bautz verstanden. Dass es eben in keine Schublade passt; gar nicht passen soll. Keine spezielle Generation oder Genres ansprechen soll. Das Bautz ist bunt, für alle da – und schon die Kleinsten sollen dazugehören. Nach und nach, so Nieland, überzeugte er auch die Agenturen davon; Kontakte und Netzwerke entstanden.
Dass es ihm zum Beispiel diesmal gelang, Gentleman nach Lüdenscheid zu holen, ist auch für den Profi etwas Besonderes; ging damit auch ein persönlicher Wunsch in Erfüllung. Welche Strahlkraft das Festival inzwischen habe – und das trotz aktuell fehlender Zugverbindung nach Lüdenscheid – sei enorm. Sogar Menschen aus der Schweiz und Österreich kamen ins Sauerland und sorgten erstmals für einen ausverkauften Campingplatz.
Das Gewitter kommt: „Ein Drahtseilakt“
Dass das vierte Bautz turbulent verlief, lag größtenteils am Wetter: Verzögerte sich am ersten Tag der Einlass durch starken Wind, so braute sich am zweiten Bautz-Tag ein Gewitter über dem Nattenberg-Stadion zusammen. Und das beschäftigte das Team um Phillip Nieland noch vorm offiziellen Einlass. Das erste „Wetter-Treffen“ gab’s um 14 Uhr, es folgten einige weitere Lagebesprechungen in der Einsatzzentrale. Dort saß Nieland mit Vertretern der Feuerwehr, vom THW, vom DRK und der Verwaltung zusammen. Oberste Priorität: „Wir mussten einen kühlen Kopf bewahren.“ Als um 16.30 Uhr klar war, dass mit orkanartigen Böen und Starkregen zu rechnen ist, seien alle Szenarien denkbar gewesen – auch die „latente Gefahr, das Festival abzubrechen“. Es sei ein Drahtseilakt gewesen.
Während des Auftritts von Roy Bianco verfolgten die Verantwortlichen per Live-Screening nahezu metergenau die Luftströmung, lässt Nieland hinter die Kulissen blicken. Auch Bürgermeister Sebastian Wagemeyer sei dazugekommen und hätte sich der Verantwortung gestellt. Und ebendiese Verantwortung, das macht der Bautz-Chef deutlich, sei immens. „Wir waren in diesem Moment für die Sicherheit von rund 11.000 Menschen verantwortlich.“ Dementsprechend angeregt hätten sie diskutiert und sich dann auf die Unterbrechung geeinigt.
„Es musste schnell gehen“
In Windeseile galt es, das Festivalgelände zu sichern. Zelte wurden gesperrt, Buden geschlossen, die Künstler verließen das Backstage-Zelt, Besucher stellten sich unter oder verließen das Gelände, alle zehn Shuttle-Busse wurden zum Nattenberg geordert. „Das alles geschah in einer unfassbaren Geschwindigkeit und alles waren Sicherheitsmaßnahmen“, betont Nieland.
„Es gab nur zwei klare Aussagen“
Die wetterbedingte Pause warf bei Besuchern im Nachhinein einige Fragen auf, die das Bautz-Team in den vergangenen Tagen erreichten. Dass Besucher zum Beispiel durch Sicherheitspersonal des Geländes verwiesen worden sein sollen und danach nicht zurückkehren durften, habe auch er gehört. Eine offizielle Anweisung habe es aber seitens der Organisatoren nie gegeben und ergebe auch keinen Sinn. „Mir tut es persönlich leid, sollte das so passiert sein. Wo Menschen arbeiten, passieren leider Fehler.“ Fürs nächste Bautz könne man daraus nur lernen, wie man in Ausnahmesituationen noch besser kommunizieren kann. Fest steht: Seitens des Bautz gab’s nur zwei klare Aussagen – und zwar die der Unterbrechung und dass es weiter geht. „Ich war überrascht, dass so viele geblieben sind“, freut sich Nieland über den Zusammenhalt und die Treue der Gäste.
Diesen Moment, als alle zusammen auf der Tribüne saßen, sangen und dann das Licht auf der Main Stage anging und Kool Savas begann zu rappen, wird er wohl nie vergessen. Im strömenden Regen strömten die Besucher zur Bühne und feierten den Rapper. „Das war fast schon episch“, so Nieland. Es sind diese kleinen zwischenmenschlichen Momente, die das Bautz zu dem machen, was es ist.
Token-Tausch: Ab sofort möglich
Dass der Festival-Samstag durch ein Unwetter unterbrochen wurde, ist höhere Gewalt und somit bestehen, so Nieland, grundsätzlich keine Erstattungsansprüche. „Aber wir definieren unser Festival anders. Das passt nicht zum Bautz“, betont er. Und so liefert er jenen, die noch Token in der Tasche haben, eine Lösung: Pro Festivalbesucher können ab sofort und bis zum 15. September zehn Token ans Lüdenscheider Stadtmarketing zurückgegeben werden.
Das ist per Post oder persönlich an der Friedrichstraße 4 möglich. Zehn Token haben einen Gegenwert von 27 Euro. Tauscher haben die Wahl zwischen einem Gutscheincode für ein 2025-Ticket oder einem Verzehrguthaben. Mit diesem Angebot möchte Nieland die Familienfreundlichkeit des Bautz unterstreichen; doch zeitgleich freue er sich über jeden, der die gelben Kunststoffmünzen bei sich behält; als Zeichen der Unterstützung.
„Schwarze Null knapp verfehlt“
Denn durch die vorübergehende Schließung der Buden sowie das Verlassen von etwa einem Drittel der Besucher zur Hauptzeit, entstand für die Bautz-Macher ein wirtschaftlicher Schaden. Die schwarze Null verfehlte das Team um Nieland daher auch in diesem Jahr nach eigenen Angaben. Er glaubt, dass es ohne die wetterbedingte Pause, bei normalem Festival-Verlauf, möglich gewesen wäre. 125.000 Euro gab’s in diesem Jahr aus der Stadtkasse dazu. 2022 waren es 300.00 Euro Zuschuss. Für die Jubiläumsausgabe im kommenden Jahr gibt die Stadt dann voraussichtlich zum letzten Mal 50.000 Euro dazu. Phillip Nieland weiß, dass er allein dadurch auf einen großen Einnahme-Anteil verzichte, indem Kinder kostenlos mitfeiern dürfen. Aber auch das sei eben vom Bautz so gewollt.
Gunao Apes wollen wiederkommen
Nach dem Bautz ist vor dem Bautz. Phillip Nieland freut sich schon jetzt über rund 1000 verkaufte Tickets fürs nächste Jahre. „Das ist Balsam für die Seele und genau das, was wir jetzt brauchen“, zeigt er sich dankbar. Schon längst laufen auch Verhandlungen mit Künstlern. Und: Die Guano Apes, die ihren Auftritt zehn Minuten vor Beginn krankheitsbedingt absagen mussten, wollen im kommenden Jahr dabei sein. Sie stehen schon im Austausch. Und was wünscht sich der Bautz-Chef fürs nächste Mal? „Einfach mal ein ganz normales Festival.“ Ganz ohne widrige Wetterbedingungen.