Interview.
Zwei Kandidaten - ein Amt. Am 14. September dürfen die Bürger von Kierspe entscheiden, wer ihr neuer Bürgermeister wird. LokalDirekt stellt die beiden Kandidaten in ausführlichen Interviews vor. Warum wollen sie Bürgermeister werden? Was für Kernpunkte vertreten sie? Was ist ihre Vision für Kierspe? Diese Fragen beantwortet im Folgenden der parteilose, amtierende Bürgermeister Olaf Stelse.
Der 54-Jährige Amtsinhaber tritt bei der diesjährigen Kommunalwahl an, um sein Amt im Rathaus zu verteidigen. LokalDirekt sprach mit dem parteilosen Bürgermeister Olaf Stelse über seine bisherige Amtszeit, den Wahlkampf in Kierspe und seine Ziele, falls er die Wahl gewinnt. Das Interview wurde im August aufgezeichnet.
LokalDirekt: Herr Stelse, Sie sind jetzt seit fünf Jahren Bürgermeister in Kierspe. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Olaf Stelse: Als Fazit der letzten fünf Jahre? Da hatten wir die Corona-Krise, den Cyber-Angriff, Hochwasser, Brückensperrungen, den Ukraine-Krieg und dann noch den Brand am Nocken mit 70 Betroffenen. Ich würde sagen, ich bin krisenerprobt. Gemeinsam mit meinem sehr guten Team im Rathaus haben wir die Krisen und jede Situation gemeistert. Das war möglich dank der optimalen Unterstützung durch Feuerwehr, DRK und verschiedene andere Behörden – und nicht zuletzt auch der Kiersper Bevölkerung.
Auch die Zusammenarbeit der Region Oben an der Volme, mit den Bürgermeistern der benachbarten Kommunen, funktioniert reibungslos, so dass gemeinsame Projekte umgesetzt werden konnten. Dadurch konnten wir dazu beitragen, die Region noch attraktiver zu machen – für Einheimische wie für Auswärtige. Wir konnten viele Dinge angehen, die Kierspe nach vorne gebracht haben und die auch wichtig sind für Kierspe.
Das kann finanziell nur funktionieren, wenn – wie bisher – zusätzliche Fördermittel akquiriert werden, sich im besten Fall auch Sponsoren finden und darüber hinaus absolute Ausgabendisziplin im städtischen Haushalt gewahrt wird. Es ist vorgesehen, einen Fördermittelmanager einzustellen, der neben der Sichtung von Förderprogrammen auch die Beantragung übernimmt und die Sachgebiete bei der Abwicklung unterstützt.
Hierbei ist meine Vorgabe: Weiterhin auf unverhältnismäßige Kostensteigerungen für die Bürgerinnen und Bürger verzichten und möglichst keine Einschnitte bei den Leistungen vornehmen.
Was macht Kierspe besonders? Was ist toll an Kierspe? Was könnte besser sein?
Kierspe macht besonders, dass wir hier ein großes ehrenamtliches Engagement haben. Das ist heute schon wichtig und wird künftig noch wichtiger. Ohne dieses ehrenamtliche Engagement könnten viele Angebote gar nicht laufen. Neben Feuerwehr und DRK sind das zum Beispiel Hand in Hand, die Sportvereine und die vielen anderen Vereinigungen, Institutionen und Verbände, die ständig wachsen und ein vielfältiges Angebot für die Kiersperinnen und Kiersper schaffen.
Die Naherholungsflächen, die wir in der Corona-Zeit schätzen gelernt haben, bieten einen großen Mehrwert. Egal, wo Sie in Kierspe sind – in gefühlt fünf Minuten ist man von jedem Puntk aus im Grünen.
Was Kierspe im Gegensatz dazu leider fehlt, sind ausgewiesene Gewerbeflächen. Im Regionalplan, den die Bezirksregierung neu aufgestellt hat, sind zwar Gewerbeflächen textlich ausgewiesen, allerdings sind sie nicht räumlich verortet. Das heißt, unser Bedarf an Gewerbeflächen ist zwar immerhin offiziell bestätigt, aber nicht auf der Karte dargestellt. Nachfolgenutzung ist ausgereizt, in Rönsahl stehen gar keine Flächen mehr zur Verfügung… . Uns fehlen schlicht Flächen, wo Gewerbeansiedlung möglich ist und nicht durch die Topographie, Gewässerschutz oder andere Restriktionen verhindert wird.
Was konnten Sie in Ihrer Amtszeit bewahren, was verändern? Was konnten Sie schaffen?
Trotz angespannter Haushaltslage konnten wir in und für Kierspe viele wichtige Maßnahmen umsetzen. Da denke ich im Besonderen an das neue Feuerwehrgerätehaus in Vollme, die Garagenhalle am Standort Neuenhaus und – ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor: die Fahrzeuge, die wir neu beschafft haben. Dass jedes „Feuerwehrwehrauto“ heutzutage ein technisch top ausgerüstetes Spezialfahrzeug ist, dessen Anschaffung locker mehrere hunderttausend Euro kostet, ist vielen Leuten nicht bewusst.
Die Truppe macht in ganz Kierspe einen super Job. Der Kontakt zwischen der Wehrleitung und mir, ist bestens. Und das gilt auch für alle anderen Ebenen der Feuerwehr und der Verwaltung. An der Stelle findet also regelmäßiger Austausch statt. Genauso auch mit anderen Institutionen und Vereinen. Spontan fällt mir zum Beispiel Hand in Hand ein, die Schulleitung der Gesamtschule und all die vielen Vereinsvorstände.
Den guten Draht, der sich im Laufe der Zeit mit so vielen Menschen in Kierspe entwickelt hat, möchte ich gerne weiterhin pflegen. Dadurch gibt es kurze Wege, so dass Probleme und Anliegen von Vereinen, Unternehmen, Kirchengemeinden, den Vertretern der Landwirtschaft und von den Bürgerinnen und Bürgern direkt mit mir besprochen werden können.
Als Bürgermeister sind Sie Ansprechpartner für alle. Damit ist eine Erwartungshaltung verbunden, auf alle Fragen die richtige Antwort zu geben, für jedes Problem die richtige Lösung zu haben, am besten sofort und 24/7. Baut das Druck auf? Wenn Ja – wie gehen Sie damit um?
Es ist absolut richtig, dass ich als Bürgermeister durchgängig als Ansprechpartner genutzt werde. Das ist grundsätzlich für mich auch in Ordnung. Allerdings gibt es natürlich Einschränkungen. Bei Ansprachen im privaten Raum, zum Beispiel beim Einkaufen, muss ich schonmal sagen: „Bitte am Montag gern im Büro melden“. Ich gebe den Leuten meine Kontaktinfo, damit sie mich anrufen oder ihr Anliegen in einer Mail schildern. Es kommt selten vor, dass das dann gar nicht passiert. Dann wollten die Leute nur mal mit dem Bürgermeister schimpfen. Das ist vielleicht unangenehm, gehört aber nun einmal zum Job dazu. Manchmal kann ein Einkauf beim Petz etwas länger dauern.
Verständlicherweise kann ich nicht alle Probleme sofort ad hoc lösen. Als Bürgermeister bin ich verpflichtet, beispielsweise rechtliche Aspekte genau zu prüfen. Ich muss Hintergrundinformationen beschaffen und gegebenenfalls andere Dienststellen oder andere Behörden einschalten. Das kommuniziere ich dann aber auch. Ich mache keine Versprechungen, wenn ich mir nicht sicher bin, dass ich sie auch einhalten kann.
Bei dieser Einschätzung hilft mir sicherlich mein Erfahrungsschatz und mein Hintergrundwissen. Aber eben auch nicht nimmer. Manche Bürger möchten verständlicherweise, dass ihr Problem direkt behoben wird. Wir hatten jetzt bei einigen Bürgerveranstaltungen das Thema Lärmbelästigung durch Verkehr. Die Anwohner wollen einfach nur Ruhe und das kann man ja auch nachvollziehen. Aber so einfach ist das eben nicht. Wenn übergeordnete Behörden die Hoheitsrechte für diese Straßen haben, sind mir über Anfragen und Antragstellungen hinaus die Hände gebunden. Es tut mir leid, wenn Verwaltungsmühlen langsam mahlen und ich nicht immer ad hoc helfen kann.
Wie nehmen Sie das Klima im Kommunalwahlkampf 2025 wahr – in Kierspe, aber auch im Vergleich mit anderen Kommunen?
Bislang halte ich das Klima in Kierspe größtenteils für gut. Ich muss dazu sagen, dass ich nichts von persönlichen Herabsetzungen und Angriffen halte. Das passt für mich nicht in mein Verständnis von einem fairen Umgang mit politischen Gegnern. In der Sache kann gestritten werden, auch wenn es um den Weg geht, wie man zu Ergebnissen kommt. Aber deshalb muss ich nicht persönlich werden.
Bislang wurde im Rat weitestgehend sachorientiert debattiert. Leider hat sich das im vergangenen Jahr zum Teil geändert. Es sind einige Äußerungen getätigt worden, die für ein echtes Miteinander in Kierspe nicht zuträglich sind. Als Bürgermeister habe ich diesbezüglich doch den Anspruch, mein Amt unvoreingenommen, ausgleichend und fair auszuüben.
Sie haben einen Gegenkandidaten. Ist das gut oder schlecht?
Bei der Wahl im Jahr 2020 hatte ich zwei Gegenkandidaten, so dass die Bürgerinnen und Bürger zwischen drei Kiersper Bürgermeisterkandidaten wählen konnten. Dieses Mal stehen zwei Kandidaten auf dem Wahlzettel. Im Bewusstsein vieler Wähler entspricht das eher ihrem Demokratieverständnis davon, wie Wahlen ablaufen sollten, als bei einem Kandidaten. Aber auch dies sieht das Kommunalwahlrecht vor. Bei einem Einzelkandidaten ist die Kommunalwahl dann eher eine Zustimmung oder Ablehnung als eine Wahl.
Ich habe 2020 die Mehrheit der Stimmen von den Wählerinnen und Wählern erhalten und nun eine Legislaturperiode als Bürgermeister absolviert. Insgesamt bin ich damit seit 16 Jahren in verantwortlicher Stellung für die Stadt Kierspe tätig – zuerst als Beigeordneter, dann als Bürgermeister. Da ich auch schon vorher bei Kommunen unterschiedlicher Größe tätig war, kann ich auf mehr als 30 Jahre Erfahrungsschatz aus der Kommunalverwaltung zurückgreifen. Nach meiner Erfahrung ist das ein Vorteil für meine Arbeit als Bürgermeister der Stadt Kierspe.
Die Kommunalwahl ist am 14. September. Was sind Ihre Prioritäten für die ersten dreieinhalb Monate bis zum Jahresende 2025?
Ungeachtet des Ausgangs der Kommunalwahl am 14. September läuft diese Amtszeit noch bis Ende Oktober.
Im besten Fall werden die Baustellen bis zum Jahresende bestmöglich fertiggestellt und die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Haushalt der Stadt Kierspe für das Jahr 2026 im September eingebracht werden kann. Der alte Rat kann im Oktober über die Verabschiedung des Haushalts beschließen, so dass zum Jahresanfang 2026 sofort alle geplanten Projekte gestartet werden können.
Anfang November findet die konstituierende Sitzung des neu gewählten Rates statt. Bei dieser Sitzung wird auch der Bürgermeister ins Amt eingeführt. Dann werden die Ausschüsse gebildet, die Gremien werden besetzt und der Rat und die Ausschüsse nach und nach handlungsfähig gemacht. 2026 startet mit Projekten und Zielen, die mit dem Rat gesetzt worden sind.
Die vier großen Themenbereiche sind das Haushaltsdefizit, die Stadtentwicklung, der Umwelt- und Klimaschutz, der Verkehr und die Infrastruktur. Welche Prozesse haben Sie angestoßen? Was läuft gut? Welche Projekte haben Sie mittelfristig und was planen Sie langfristig für Kierspe?
Ein ganz zentrales Thema in Kierspe ist die Verkehrssituation. Derzeit in besonderem Maße: Bedingt durch die Brückensperrungen auf der A45 und der B237, Am Tannenbaum, ergibt sich eine besondere Verkehrsbelastung für viele Kiersperinnen und Kiersper. Nicht nur die Bevölkerung spürt die Folgen des Verkehrs, sondern auch die Infrastruktur. Nach der Sperrung müssen die Straßen, die jetzt als Ausweichstrecken dienen, wieder ertüchtigt werden. Die Stadt Kierspe hat aus diesem Grund mehrere Straßenabschnitte zur Sanierung angemeldet, die mit Hilfe des Sonderprogrammes des Landes in den kommenden Jahren zielgerichtet wiederhergestellt werden sollen. Für uns alle bedeutet das leider auch: Immer wieder Baustellen mit den damit verbundenen Belastungen und Unannehmlichkeiten.
Zudem gilt es, die erstellten städtebaulichen Konzepte für Rönsahl und Kierspe-Dorf sukzessive umzusetzen. Dazu gehört auch, Fördergelder dafür zu akquirieren. Die ersten Mittel sind gerade bewilligt worden, so dass wir Teilmaßnahmen schon beginnen können. Das ist zum Beispiel die Gestaltung von Plätzen. Hier haben wir das Augenmerk darauf gerichtet, die Angebote für Sport und Naherholung für alle Altersgruppen baulich und inhaltlich zu erweitern. Bei der Erweiterung der sportlichen Angebote setzen wir auf den geplanten Multifunktions-Beachplatz für Beachvolleyball und Beachsoccer, ein LEADER-Projekt, auf das Kierspe stolz sein kann.
Derzeit sind konzeptionelle Planungen im Gange, wie wir das Angebot der Offenen Ganztagsschule sinnvoll ergänzen können. Private und öffentliche Wohnungsbauprojekte sind angedacht und teilweise in der Planung. Sie sind über das gesamte innerstädtische Gebiet verteilt und umfassen barrierefreie und seniorengerechte Wohnformen, Mietwohnungsbau, Eigentumswohnungen und Eigenheime. Hier gilt es, die planungsrechtlichen Grundlagen zu schaffen, die städtebauliche Entwicklung bestmöglich voranzubringen und die Bauwilligen zu unterstützen.
Die systematische Fortführung der energetischen Ertüchtigung kommunaler Gebäude und die Erstellung der kommunalen Wärmeplanung wird im Haushalt der Stadt Kierspe ebenso fest vorgesehen wie die Umsetzung weiterer Hochwasserschutzmaßnahmen.
Die Situation der Kirchen in Kierspe ist prekär. Die katholische Kirche hat bereits 2020 die St. Engelbert Kirche in Rönsahl verkauft. Die evangelische Kirche kämpft um den Erhalt ihrer drei Kirchen. Sehen Sie die Stadt Kierspe als Untere Denkmalschutzbehörde in der Pflicht? Was können Sie, was werden Sie tun?
Als Kiersper geht mir das nahe. Ich finde die Situation der Kirche außerordentlich bedauerlich. Als Bürger und als Bürgermeister liegt mir natürlich sehr daran, dass die Kirchen im Stadtgebiet bestmöglich erhalten bleiben. Daher habe ich sofort zugesagt, Fragebögen und eine Urne im Rathausfoyer aufzustellen, damit die Umfrage der evangelischen Kirche eine möglichst große Beteiligung erfährt. In den städtischen Medien ist die Befragung auch online veröffentlicht worden. Zudem habe ich den Aufruf zur Beteiligung an der Umfrage auf meinem privaten Account gepostet.
Um finanzielle Unterstützung in Form von Förderungen generieren zu können, prüfen wir seitens der Stadt gerade, welche Förderprogramme in Frage kommen. Die Vorschläge und Ergebnisse werden dann im Nachgang mit Vertretern der Kirche und dem Ortsheimatpfleger besprochen. Selbst wenn Kirchengebäude verkauft werden müssten, würden sie ja im Stadtbild präsent bleiben. Inwiefern das aber notwendig sein wird, hängt sicherlich auch von weiteren Erkenntnissen und letztlich von den Entscheidungen der evangelischen Kirchengemeinde ab.
Würden Sie weitere Themenbereiche hinzufügen, wo aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf besteht?
Aufgrund der dauerhaft angespannten Finanzlage der Stadt ist die vorgesehene Altschuldenhilfe von Bund und Land künftig eine Möglichkeit, zumindest vorübergehend finanziell etwas mehr Luft zu haben. Hier gilt es nun, dafür zu sorgen, dass die Stadt Kierspe daran teilhaben kann.
Bei der Neuaufstellung des Regionalplans sind so genannte Konzentrationszonen für Windenergieanlagen in den Kommunen festgelegt worden. Innerhalb dieser Zonen ist die Errichtung von Windenergieanlagen deutlich einfacher möglich. Wenn sich Kommunen in Kooperation mit den Anlagebetreibern finanziell an Windenergie-Neubau-Anlagen beteiligen können, erhalten sie zusätzliche Entgelte, die in den städtischen Haushalt fließen. Darüber hinaus wird es die Möglichkeit der Beteiligung interessierter Bürger geben. Somit werden Klimaschutzziele verfolgt, die dabei auch noch finanzielle Anreize für die Beteiligten schaffen.
Sie haben nun 60 Sekunden Zeit, um sich in einem Video ihren Wählern vorzustellen - es gibt keine Vorgaben, Sie haben freie Hand.