Die schier unendliche Geschichte der sogenannten „Abfindungsaffäre“ in Iserlohn ist um eine Facette reicher und geht weiter. Der ehemalige Ordnungsamtsmitarbeiter der Stadt, Ugur Ünal, ist vor der 1. Kammer des Iserlohner Arbeitsgerichts unter Vorsitz von Richterin Sandra Lücke-Claes mit einem Eilantrag gescheitert. Er hatte auf sofortige Wiedereinstellung geklagt. Ünal hatte im Jahr 2019 bekanntlich einen Aufhebungsvertrag unterschrieben und die Stadt Iserlohn gegen eine Zahlung von 250.000 Euro verlassen. Warum man ihn seinerzeit unbedingt loswerden wollte, wisse er bis heute nicht, gab Ugur Ünal zu Protokoll.
Aufhebungsvertrag war gültig
Richterin Sandra Lücke-Claes gab zu Beginn der Verhandlung noch einmal einen umfassenden Überblick über die bisherigen Geschehnisse, die verschiedenen Prozesse vor dem Landesarbeitsgericht, dem Landgericht wegen Beihilfe zur Untreue sowie dem Bundesgerichtshof. Die von den Juristen jeweils zu klärende Frage: War der ursprünglich geschlossene Aufhebungsvertrag gültig oder nicht? Das Landesarbeitsgericht meinte seinerzeit ja, obwohl die Höhe von 250.000 Euro ungewöhnlich sei. Der BGH sah das anders.
Eilbedürftigkeit nicht gegeben
Im Rahmen der aktuellen öffentlichen Verhandlung wurde erörtert, ob angesichts der vergangenen Geschehnisse eine Eilbedürftigkeit gegeben sei und ob dementsprechend ein für die Verurteilung im Wege der einstweiligen Verfügung notwendiger Verfügungsgrund vorliege. Außerdem wurde die Frage thematisiert, ob ein sogenannter Verfügungsanspruch existiert. Dabei ging es im Kern um die Frage, ob der zwischen den Parteien am 24. Januar 2019 abgeschlossene Auflösungsvertrag als wirksam anzusehen ist.
Kein Beschäftigungsanspruch
„Im Falle der Wirksamkeit des Auflösungsvertrages könne kein Beschäftigungsanspruch gegenüber der Stadt Iserlohn gegeben sein, weil in diesem Fall das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bereits im Jahr 2019 sein Ende gefunden hatte“, so die 1. Kammer des Arbeitsgerichts. Insoweit ist auch die rechtliche Problematik der Reichweite der materiellen Rechtskraft des rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Februar 2022 zum Az. 6 Sa 903/21 besprochen worden. Im Rahmen dieses Urteils ist das Landesarbeitsgericht Hamm in seiner Begründung von der Wirksamkeit des Auflösungsvertrages ausgegangen.
Bezug von Arbeitslosengeld ausgelaufen
Falls der Vertrag tatsächlich keine Gültigkeit habe, müsse Ugur Ünal bei der Stadt wieder arbeiten dürfen – so jedenfalls seine und die Rechtsauffassung seines Anwalts Daniel Wüstrich. Genau darum ging es in dem Eilverfahren vor dem Iserlohner Arbeitsgericht. Die Eilbedürftigkeit sei unter anderem dadurch gegeben, weil der Bezug von Arbeitslosengeld für den Kläger ausgelaufen sei. Die Stadt Iserlohn, die in der Verhandlung von Rechtsamtsleiter Ansgar Bochynek und dem Geschäftsführer des Kommunalen Arbeitgeberverbandes NRW, Torsten Herbert, vertreten wurde, steht auf dem Standpunkt, der Auflösungsvertrag habe nach wie vor Gültigkeit, so habe das seinerzeit auch das Landesarbeitsgericht gesehen.
Immer wieder Gespräche ohne Ergebnis
Im Saal 1 des Iserlohner Arbeitsgerichts wurden die Standpunkte noch einmal sehr deutlich gemacht. Ugur Ünal, der nach eigenen Angaben inzwischen seelisch und körperlich an der Situation massiv leidet, möchte endlich wieder arbeiten. „Es hat immer wieder Gespräche gegeben, um eine Einigung zu erzielen. Herr Ünal war bereit, den Vertrag rückabzuwickeln. Auch wenn das Einbußen bedeutet hätte. Die Stadt hat alle unsere Vorschläge abgelehnt“, erklärte Ünal-Rechtsbeistand Wüstrich. „Sie wollen nicht mal reden, das finde ich eine Katastrophe“, warf er der Gegenseite vor. Ugur Ünal müsse ja nicht unbedingt auf seinen alten Arbeitsplatz im Ordnungsamt zurück. „Die Stadt hat genug Gesellschaften, wo man ihn unterbringen kann“, schlug Wüstrich vor.
Vertrag war schon unterschriftsreif
Ansgar Bochyneck bestätigte, dass ein unterschriftsreifer Vertrag zur Rückabwicklung vorgelegen habe. Doch dann sei die Staatsanwaltschaft mit der Klage wegen Untreue dazwischengekommen. Torsten Herbers vom Kommunalen Arbeitgeberverband stellte für die Stadt Iserlohn unmissverständlich klar: „Es gibt kein Interesse auf Wiedereinstellung von Herrn Ünal.“ Die offenbar unversöhnlichen Fronten zeigten sich auch wieder im aktuellen Eilverfahren. Richterin Sandra Lücke-Claes und ihre beiden Beisitzer sahen auch keinen Ausweg: „Der Kammer fällt da ein Lösungsvorschlag schwer.“ Nach intensiver Beratung kam die dann zu folgendem Urteil:
1. Die Klage wird abgewiesen
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.844,33 Euro festgesetzt
Also sehen sich beide Parteien vor dem Landesarbeitsgericht Hamm erneut wieder, das hatte im Fall des Unterliegens die Stadt Iserlohn ebenso angekündigt wie Ugur Ünal und dessen Anwalt. Im Hauptsacheverfahren ist für den 24. September ein Gütetermin anberaumt; der Kammertermin steht noch nicht fest, findet aber später statt.