Es ist kurz vor 21 Uhr als LokalDirekt am Dienstagabend ein Video zugespielt wird. Darauf zu sehen ist ein extrem lahmendes Pferd auf einer Wiese oberhalb des Hofs Dümpel in Nachrodt. Das junge Tier kann das linke Vorderbein nicht belasten. Der Vorwurf: Obwohl der Besitzer informiert worden sei, habe er sich nicht zeitnah um medizinische Versorgung gekümmert. Der Pferdezüchter stand in den vergangenen Wochen immer wieder in der Kritik.
Der Fall:
Am Montag, 10. März, finden Spaziergänger Knochen auf einer Wiese neben dem Wanderweg „Sauerländer Höhenflug“, der unmittelbar an den Flugplatz Hegenscheid grenzt. Schnell ist klar, dass es sich dabei um Teile eines Pferde-Kadavers handelt, die beim Ausbringen des Mists auf das Grünland verstreut wurden. Die Spaziergängerin macht den Fall öffentlich und löst damit eine Grundsatzdebatte über die Arbeit auf dem Hof aus. LokalDirekt erhält unzählige Mitteilungen über tierschutzrelevante Missstände. Der Pferdezüchter selbst sieht darin eine Hetzkampagne von Tierschützern gegen seinen Betrieb. Dennoch schlägt der Fall große Wellen. Denn zwei Tage nach unserer Berichterstattung entziehen die Mitglieder der Kreisversammlung des Westfälischen Pferdestammbuchs dem Züchter das Vertrauen. Er hat dort keinen Vorstandsposten mehr. Die Missstände seien zu gravierend. Derweil gibt es auch schwere Anschuldigen gegen das Veterinäramt, dem unter anderem Untätigkeit und Befangenheit vorgeworfen wird. Der Fall ist komplex und die Fronten sind verhärtet. Es steht Aussage gegen Aussage.
Wie lange der Zustand des Tieres so war, ist unbekannt. Auch ob es eine schwerwiegende Verletzung hat oder vielleicht „nur“ ein sogenanntes Hufgeschwür, das ebenfalls solche Lahmheiten hervorrufen könnte, aber in der Regel bei richtiger Behandlung schnell wieder verheilt. Fakt ist, dass das Pferd noch am Dienstag abgeholt wurde. LokalDirekt war am frühen Mittwochmorgen vor Ort. Das Pferd war nicht mehr auf der Wiese zu finden. Alle anderen Pferde zeigten keine Verletzungen, soweit das vom Zaun aus zu beurteilen war.
„Der Tierhalter ist seiner gesetzlichen Verantwortung nachgekommen und hat das erkrankte Pferd an den Stall geholt, um es dort weiter versorgen und tierärztlich behandeln zu können. Er hat das Veterinäramt am gleichen Tag schriftlich über den Vorgang und die weiteren Schritte zur Behandlung des Pferdes informiert“, heißt es seitens des Märkischen Kreises, der ebenfalls Kenntnis hatte. Und auch die Polizei war am späten Dienstagabend vor Ort.

Ein Anrufer hatte sich wegen des kranken Pferdes gemeldet. Polizeisprecher Marcel Dilling bestätigt auf Nachfrage den Einsatz am späten Dienstagabend. „Die Kollegen waren auf dem Hof und haben mit dem Besitzer gesprochen. Es gab jedoch keine Hinweise auf eine Straftat. Wir sind folglich nicht weiter tätig geworden.“ Etwas mehr weiß Alexander Bange, Sprecher des Märkischen Kreises: „Nach hiesigem Kenntnisstand erfolgte der Polizeieinsatz nicht aufgrund der Tatsache, dass das Pferd krank war, sondern dass es vom Tierhalter verladen wurde. Der Melder hatte laut unseren vorliegenden Informationen Angst, dass das Tier am Hof ,geschreddert‘ würde.“ Er betonte aber auch, dass das Video, das häufig geteilt wurde, nicht an das Veterinäramt gegangen sei und weder schriftlich noch telefonisch Meldungen eingegangen seien.
Die Aussagen des Kreissprechers decken sich mit den Angaben des Besitzers, der erneut auf LokalDirekt-Anfrage eine ausführliche Stellungnahme schickt. Das verletzte Pferd bestätigt er. Er sieht sich jedoch einmal mehr als Opfer einer Hetzkampagne. Von dieser hatte er schon in vergangenen Gesprächen berichtet. Er bestätigt, dass ihm das lahmende Pferd am Dienstag gemeldet wurde. „Eine Person hat sich gemeldet und meine Bekannte, die die Pferde schon mal für mich kontrolliert, konnte das Lahmen auch feststellen. Gestern Abend konnte ich dann genügend Leute mitnehmen, um das Pferd ohne Stress und unnötige Schmerzen einzufangen, um es anschließend zu versorgen“, berichtet der Pferdebesitzer. Die Beschwerdeführer, wie er seine Widersacher nennt, „trommelten so lange bis Ordnungsamt (ca. 20 Uhr) und Polizei (ca. 23.30 Uhr) sich den Zustand des Pferdes zeigen ließen“. Es sollte sichergestellt sein, dass das Pferd „nicht zerhäckselt“ wird. Einer der Beamten hätte ihm gegenüber zudem gesagt, dass auch sie ihre Meinung über das Vorgehen der Beschwerdeführer hätten, sich dazu aber nicht weiter äußern dürften. „Seit dem Knochenfundartikel treten die Beschwerdeführer sehr organisiert auf, verbreiten Lügen und Hass und bombardieren die Ämter zielstrebig. Scheinbar ist es die Intention eine Überschusshandlung irgendeiner Behörde zu provozieren“, schreibt der Pferdebesitzer. Mittlerweile erlebe er es auch am Dümpel öfter, dass Leute sich schnell umdrehen und abhauen würden, wenn sie ihn sehen und sich in ihrer Mission ertappt fühlen würden.
Zu diesem Handeln zählt er auch das Rufen der Polizei am Dienstagabend: „Diese wurde nach dem Verladen und Behandeln des Pferdes informiert. Hier ist es eindeutig, dass man uns an die Karre will. Würde es um das Tier gehen, würde man das Einfangen auch korrekt bewerten, nämlich mit der Absicht, dem Tier zu helfen.“ Insgesamt bezwecke der ganze Shitstorm einzelner motivierter Treiber die Tierhaltung des Pferdezüchters einzuschränken. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ganz Nachrodt auf Pferde am Dümpel verzichten möchte. Viele Nachrodter erzählten mir, dass der Dümpel mit den Pferden ihrer Erholung dient und sich im Frühjahr alle auf die Pferde freuen“, sagt der Landwirt. Allerdings würden „die Hater“ die Pferde vom Dümpel verdrängen. „Persönlich sehe ich genau hier das Problem. Die einzelnen Hater ärgern sich über den Zuspruch, den wir in unserer Haltung mit den Tieren erhalten und drehen dadurch immer mehr auf. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich meinem heute sieben Monate alten Sohn in den nächsten Jahren erklären soll, wieso nachts die Polizei zu Besuch kommt, obwohl wir Alles für die Tiere tun“, sagt der Züchter.
Grundsätzlich sehe er eine sehr gefährliche Fehleinschätzung in der Bevölkerung: „Bei uns werden Pferde für den Sport gezüchtet. Diese können sich auch mal verletzen, sind aber nach kurzer Regeneration komplett schmerzfrei.“ Das sei im benachbarten Tierschutzverein oder auf Rentnerkoppeln nicht der Fall. Genau von dort aus vermutet er die Aktionen gegen ihn. Dort liefen „fast nur Pferde mit Arthrose oder anderen Beschwerden/Verletzungen auf der Wiese rum. Diese Pferde haben sicherlich latent mehr Schmerzen, weil unbehandelt, als unsere bei einem Hufgeschwür, das nach wenigen Tagen kuriert ist“. Aus seiner Sicht sei nicht immer Tierschutz drin, wo Tierschutz draufstehe. „Heutzutage ist man schnell im Bereich von Fakenews. Jeder sollte sich ein eigenes Bild machen können. Wir sind dafür ansprechbar und verstecken uns nicht“, appelliert er an die Nachrodt-Wiblingwerder.
Pathologische Untersuchungsergebnisse liegen vor
Inzwischen liegen übrigens auch die Untersuchungsergebnisse der gefundenen Knochen vor. „Es bestätigt die bisherigen fachlichen Erkenntnisse und Ergebnisse der Überprüfungen des Kreisveterinäramts hinsichtlich des Alters der gefundenen Überreste im Betrieb. Auf eine genaue Altersbestimmung hat sich der Pathologe nicht festgelegt“, berichtet Alexander Bange. Demnach sind die Knochen so alt, dass der Pferdzüchter nicht in der Verantwortung war. Damals war der Betrieb noch unter der Führung seines Vaters.
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Teil 1: Die Debatte um die Pferdezucht am Wixberg
Teil 3: Die Rolle des Veterinäramts