1,36 Millionen Euro sind weg. Fördergelder, die die Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde nicht bekommt. Bestimmt waren sie für den Neubau eines Sozialtrakts an einer neuen Lennehalle. Nun aber gibt es Probleme am Neubau des Feuerwehr-Gerätehauses und die Bauverzögerung sorgt dafür, dass es im kommenden Jahr wohl keinen ersten Spatenstich für eine neue Halle geben wird. Der Fall ist vielschichtig und wird aktuell hitzig und emotional diskutiert. Allen voran vom Ratsherrn und Bürgermeisterkandidaten Aykut Aggül, der im Planungs-, Bau- und Umweltausschuss noch einmal klarstellte: „Meiner Meinung nach braucht Nachrodt-Wiblingwerde keine dritte Turnhalle.“ Gleichzeitig jetzt jedoch ausholt und der Verwaltung und insbesondere der amtierenden Bürgermeisterin vorwirft, Gelder in den Sand gesetzt zu haben. Der Wahlkampf ist hart. Aber nicht alles ist reines Ringen um Wählerstimmen. Der Fall Lennehalle 2.0 ist komplex. Um alle Seiten beleuchten zu können, widmet LokalDirekt der Lennehalle 2.0 ein Thema des Tages.

Seit 2023 war klar, dass die Lennehalle abgerissen werden muss. Statische und bauliche Mängel machten eine Sanierung gänzlich unmöglich. Das Aus der großen Halle wurde seitens der Politik beschlossen. Im September rückte Bauunternehmer Siggi Müller mit der Abrissbirne an. Direkt nach dem Abriss-Beschluss wurde ein Arbeitskreis gebildet, der sich mit der Frage beschäftigen sollte, wie ein Neubau aussehen könnte und welche Anforderungen daran gestellt werden. Mit dabei: Vertreter aus Politik, Verwaltung, Sport- und Kulturvereinen. Begleitet wurde das Vorhaben auch von Experten der Firma Sport concept aus Stuttgart. Das Unternehmen ist auf Beratung von Sportverbänden, Sportvereinen, Kommunen und Unternehmen in allen Fragen des Sportstättenbaus von der Analyse bis zum Betrieb spezialisiert. Inzwischen sind alle Beteiligten weit gekommen. Die Anforderungen sind klar und auch die Ausrichtung. Berater Tobias Eisenbraun war am Donnerstag nun extra nach Nachrodt gereist, um im Planungs- Bau und Umweltausschuss die Ergebnisse zu präsentieren. Unter anderem ging es um eine Machbarkeitsstudie, mögliche Varianten und Nutzungsmöglichkeiten.

LokalDirekt kündigte diese Veranstaltung mit der Präsentation bereits am Dienstag an, da zu erwarten war, dass das Interesse aus der Bevölkerung durchaus groß ist. Daraufhin meldete sich Aykut Aggül. „Die Finanzierung steht auf der Kippe / Förderung. Dann bringt zum jetzigen Zeitpunkt die Präsentation nichts.“ Auf weitere Nachfrage, was das bedeute, schrieb Aggül: „Es gibt Fristen, die eingehalten werden müssen. Das interessiert die Allgemeinheit. Ich denke am Donnerstag wird alles auf den Tisch kommen.“ LokalDirekt kontaktierte daraufhin Bürgermeisterin Birgit Tupat, die sichtlich überrascht war über diese Anfrage. „Diese Informationen sind noch gar nicht öffentlich. Erst sollen eigentlich alle Beteiligten informiert werden. Wir haben uns darauf geeinigt, das übermorgen zu thematisieren, wenn auch wirklich alle Fakten vorliegen“, sagte Birgit Tupat.

Bereits am Montag habe es eine interfraktionelle Sitzung gegeben. Im Nachgang dieser Sitzung sei der Arbeitskreis informiert worden. „Beide Gremien sind nicht öffentlich. Wie nur wenige Minuten nach dieser Mail die Presse davon erfahren kann, ist mir ein Rätsel. Gerne hätten wir erst alle Faktoren ausgelotet und das Gespräch mit den Beteiligten gesucht, um dann auch detaillierte Informationen geben zu können. So etwas macht man nicht und natürlich werde ich im Rahmen der öffentlichen Sitzung die Anwesenden ohnehin darüber informieren“, betonte Birgit Tupat.

Am Donnerstag waren dann tatsächlich einige Interessierte gekommen. Wie auf der Tagesordnung vorgesehen, stellte Tobias Eisenbraun die Machbarkeitsstudie vor und erklärte, wie alle Bedarfe bestmöglich abgedeckt werden können (Lesen Sie dazu Teil 2). Direkt im Anschluss begann die Diskussion. Es gab Zuspruch vom fraktionslosen Matthias Lohmann, der dazu riet, lieber richtig zu investieren als an falschen Enden zu sparen. Michael Schlieck (CDU) fand die dargestellte und favorisierte Version ebenfalls gut und Ronny Sachse, der auch im Arbeitskreis dabei war, erklärte: „Es gibt vielleicht weniger Platz, dafür ist der aber gut ausgenutzt. Es ist richtig, sich von der Mehrzweckhalle zu verabschieden und auf eine reine Sporthalle zu fokussieren.“ Hintergrund: Eine Mehrzweckhalle, wie anfangs gewünscht, wäre deutlich teurer. Vor allem aufgrund von Bauvorschriften in Sachen Brandschutz. Eine Sporthalle darf aber ebenfalls für bis zu 25 Veranstaltungen anderer Art pro Jahr genutzt werden. Für Nachrodt ausreichend, wie die Mitglieder des Arbeitskreises fanden.

Dann kam Aykut Aggül: „Wir thematisieren hier ein Projekt, das Millionen kostet. Wir müssen realistisch bleiben. Die gibt es für dieses Projekt nicht mehr. Es ist schön, dass Sie das hier vorgestellt haben, aber wir haben die Mittel nicht. Wir werden uns hier vielleicht die nächsten Jahre nochmal treffen. Aber ich sage es klar: Eine dritte Turnhalle braucht Nachrodt-Wiblingwerde nicht. Eine reine Turnhalle können wir uns nicht leisten.“ Ein Raunen ging durch die Reihen der Bürger. Bürgermeisterin Birgit Tupat grätschte dazwischen. „Es hat mich schon sehr gewundert, dass ein Ratsmitglied die Presse informiert hat. Es gibt eine Verschwiegenheitspflicht. Aber natürlich werde ich hier ausführlich Stellung nehmen.“

Im Oktober 2021 habe die Verwaltung einen entsprechenden Förderantrag gestellt. Es ging um ein Programm Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur. „Die Gemeinde Nachrodt-Wiblingwerde hat am 21. Februar 2022 einen Bewilligungsbescheid für den Ersatzneubau des Sozialtraktes Lennehalle in Höhe von 1.365.750 Euro erhalten. Grundlage für den Antrag war die Tatsache, dass der alte Sozialtrakt der Lennehalle dem Neubau der Feuerwehr weichen sollte. Im Zuge der vorbereitenden Maßnahmen zur Sanierung der Feuerwehr wurde festgestellt, dass die Lennehalle aufgrund massiver statischer Probleme abgerissen werden muss“, erklärte die Bürgermeisterin. Sie ging tief ins Detail, um auch den Bürgern zu erklären, wo genau das Problem liegt. „Der Abriss der Lennhalle wurde 2023 beschlossen und der Auftrag zum Abriss im Mai 2023 beschlossen. Sodann wurde die Planung der Feuerwehr verändert, indem als neuer Standort der Platz der ehemaligen Lennehalle überplant wurde und dort auch gebaut wird“, sagte Tupat.

Aykut Aggül sah den Bedarf für eine dritte Turnhalle nicht. Mit dieser Meinung war er jedoch allein.
Foto: Machelett

Am Standort der alten Feuerwehr soll eine neue Sporthalle mit Sozialtrakt entstehen. Der Fördermittelgeber (Ptj = Projektträger Jülich) hat mitgeteilt, dass die Fördermittel auch am neuen Standort eingesetzt werden können. „Nun ist es aber so, dass wir bis zum 31.12.2025 mit der Maßnahme beginnen müssen, damit die Laufzeit bis zum 31.12.2026 verlängert werden kann. Das ist aber faktisch nicht möglich, da an dem Standort noch die Feuerwehr steht und erst nach deren Umzug in den Neubau mit der förderfähigen Maßnahme begonnen werden kann“, erklärte Tupat das Dilemma. Das große Problem ist Wasser. Das versickert in dem Boden nicht. Nun muss ein Tiefbauer umfangreiche Schachtbauwerke errichten. Das verzögere den Baubeginn. „Haben wir einen Starkregen wie 2021 säuft uns der ganze Neubau ab“, machte Tupat die Problematik deutlich und weiter: „Wir können faktisch dort in diesem Jahr nicht anfangen und bis 2026 fertig sein. Es reicht auch nicht, wenn da ein Bagger steht.“

Die Gemeinde habe nach einer Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2027 gebeten. „Wir wollen ja bauen“, betonte sie. Allerdings sei die Verlängerung abgelehnt worden. Dennoch, appellierte die Bürgermeisterin an die Ausschussmitglieder, sei der Termin an diesem Abend nicht sinnlos. „Ich glaube, dass es ein neues Förderprogramm gibt und dann haben wir den Plan schon in der Tasche.“ Auch habe man den Kontakt zu den heimischen Bundestagsabgeordneten gesucht und diese um Hilfe geben.

Dass der Plan nicht weiterverfolgt werden soll und der Termin sinnlos war fanden Matthias Lohmann, die SPD und die CDU keineswegs. „Werfen wir die Flinte mal nicht ganz ins Korn. Natürlich ärgert mich das. Aber ich gehe auch davon aus, dass es ein neues Infrastrukturprogramm geben wird. Den Plan brauchen wir auf jeden Fall“, sagte Ronny Sachse (SPD). „Das ist das beste Beispiel dafür, dass es später wieder heißt, die Kommunen hätten die Fördergelder nicht abgerufen“, sagte Michael Schlieck (CDU). Philipp Olschewski fand: „Wir wollten hier zeigen, was erarbeitet wurde. Wir finden das keineswegs sinnlos. Eine dritte Sporthalle ist wichtig. Denn die Vereine sind es, die hier die beste Sozialarbeit leisten. Ich finde es super, dass wir diese tolle Planung jetzt haben. Wir als CDU sind uns sicher, dass wir gerne eine Lennehalle 2.0 hätten und sind guter Hoffnung, dass es bald wieder Fördermittel gibt.“

Christian Pohlmann (Bürgermeisterkandidat der SPD) brachte einen konkreten Vorschlag ein. Er erinnerte an 370.000 Euro aus dem Antrag, die eingestellt wurden für eine eventuelle Ersatzunterbringung der Feuerwehr. Diese Sicherheitsleistung könne die Gemeinde nutzen, um das bestehende Gerätehaus doch zeitnah abzureißen. „Das haben wir natürlich geprüft. Aber dafür müssten wir den ganzen Stadionplatz in Anspruch nehmen“, erklärte Birgit Tupat. „Das ist natürlich ein starker Einschnitt, wenn wir den Parkplatz vorm Stadion dafür opfern. Die Frage ist, wie lange das wäre. Und können wir dieses Opfer bringen, um eine Million Euro zu bekommen?“, fragte Ronny Sachse.

Birgit Tupat gab zudem zu bedenken, dass es sich bei der Präsentation um eine Machbarkeitsstudie handele. Weitere Planungen, Genehmigungen und Ausschreibungen seien somit erforderlich. Experte Tobias Eisenbraun bestätigte: „Das ist in einem halben Jahr nicht realisierbar.“ Pohlmann blieb dran. „Aber wenn wir einen Aufschub bekommen würden, dann sollten wir das auf jeden Fall in Betracht ziehen.“ Daraufhin gab es den einzigen Wortbeitrag der UWG in dieser rund 45-minütigen Diskussion: „Ich bin erstaunt über den Vorschlag der SPD, die eigentlich wissen müsste, wie lange so etwas dauert“, sagte Dirk Grote. Matthias Lohmann wurde noch einmal deutlich: „Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir jetzt diese Pläne nicht weiterverfolgen.“  

Schlussendlich stimmten alle Anwesenden für die Weiterverfolgung des vorgestellten und favorisierten Konzepts. Aykut Aggül war im Ausschuss nicht stimmberechtigt. 

Uwe Perlowsky machte auf die Not der Sportvereine aufmerksam.
Foto: Machelett

Nach der Abstimmung meldete sich TuS-Vorstand Uwe Perlowsky zu Wort: „Die Halle brauchen wir wirklich. Sechs Gruppen haben wir in der Schule rumturnen. Das sind 60 bis 80 Personen. Das ist kein Zustand. Das ist weder ein Spaß für uns noch für die Schule.“ Zudem könnten sich Sportvereine so nicht weiterentwickeln. „Wenn wir das nicht in Zukunft weiterdenken, brauchen wir uns hier keine Gedanken um Container machen (gemeint sind die geplanten Container für den Ausbau der Ganztagsbetreuung an der Grundschule, Anm. d. Red.). Dann will keiner seine Kinder mehr hier aufwachsen lassen.“ Es gab kräftigen Applaus. Auf diesen Beitrag meldete sich dann auch noch einmal Aykut Aggül: „Ich habe nicht gesagt, dass wir keine Halle brauchen. Ich habe gesagt, dass wir keine Turnhalle brauchen. Sondern eine Mehrzweckhalle.“