Am Samstag streifte eine Oldtimer-Rallye das Tal der Brenscheider Mühlen. Dort grast die Mutterkuh-Herde von Regina Weustermann. Die Kühe und ihre Kälber beweiden seit Jahren die steilen Flächen des Tals zwischen Brenscheid und Hahn. Noch am Morgen war die Idylle perfekt. Die Kälber tobten durch das hohe Gras und die Kühe ließen sich die Sonne auf den Rücken scheinen. Spaziergänger machten Fotos von den niedlichen Jungtieren, Fahrradfahrer nutzten den Anblick für einen kurzen Stopp und zahlreiche Motorradfahrer bewunderten die Herde – ein ganz normaler Samstag. Bis eine Oldtimer-Rallye das Tal durchquert. Unten, im Bereich der Mühle, gibt es einen Haltepunkt zum Stempel sammeln. Insgesamt waren wohl am Morgen 147 Fahrzeuge in Essen-Rüttenscheid gestartet und kamen am frühen Nachmittag in Brenscheid an.
„Zwei Reiterinnen von unserem Hof waren auf einem Weg oberhalb unterwegs und berichteten, dass die Kühe extrem unruhig seien“, erzählt Regina Weustermann. Die Landwirtin setzte sich sofort ins Auto und fuhr los. Als sie dort eintraf, waren die Kühe bereits durch alle Zäune gerannt. Die Herde war durch die lauten Motoren und das ständige Hupen, das gerade in dem engen Tal besonders schallt, in Panik geraten. Die Fahrer hatten darauf jedoch keine Rücksicht genommen und weiter gehupt und die Motoren hochgedreht. Die Herde mit den vielen, teils wenige Tage alten Kälbern rannte quer durchs Tal, in Richtung Nahmertal und bog schließlich in den Wald in Richtung Winkeln ab. „Die haben sämtliche Zäune, die irgendwo auf dem Weg standen, überrannt. Egal ob Stacheldraht oder Strom, völlig kopflos und panisch“, erzählt Regina Weustermann.
Sofort wurden Helfer zusammengetrommelt, denn letztlich verlor sich zwischenzeitlich die Spur komplett. 25 Freunde und Nachbarn begaben sich auf die Suche. „Zwei Tiere haben wir in Winkeln am Bolzplatz gefunden und gesichert. Die anderen waren immer noch weg. So schnell kommt man da durch den Wald gar nicht hinterher“, sagt Regina Weustermann. Irgendwann wurden dem Ordnungsamt Schalksmühle freilaufende Kühe im Bereich gemeldet. Sie liefen parallel zur A45, „die zum Glück am Wochenende gesperrt war“. Sichern konnten sie die Herde später im Bereich Winkler Heide. „So eine Herde in Panik fängt man auch nicht so eben. Wenn die auf einen zulaufen, geht man besser an die Seite“, sagt die erfahrene Landwirtin. Fast sechs Stunden brauchten die Landwirte, um die Herde wieder einzufangen, die Tiere zu verladen und in den Stall zu bringen. Die teils traumatisierten Tiere waren nach der kilometerlangen Flucht nicht nur völlig erschöpft und am Ende ihrer Kräfte, sondern teilweise auch verletzt. „Wir haben schon gesehen, dass einige Verletzungen im Bereich der Brust und der Beine haben. Die sind ja einfach durch die Zäune und mitten durch den Wald gerannt. Genau können wir es noch nicht sagen, da die Herde noch zu aufgebracht ist. Selbst an die Kühe, die schon lange bei uns sind und die wir gut kennen, kommen wir aktuell nicht richtig heran“, berichtet die Landwirtin.

Regina Weustermann kann auch nicht verbergen, wie sauer und frustriert sie ist. Denn das hätte ihrer Meinung nach nicht passieren müssen: „Wenn ich weiß, dass Tiere so nah dran stehen, dann verhalte ich mich nicht so. Und hupen, wenn die Tiere eh schon rennen, geht halt nicht.“ Aus diesem Grund sucht die Landwirtin nun auch den Kontakt zu den Veranstaltern. Es geht ihr nicht nur um die wirtschaftlichen Schäden, sondern vor allem auch darum, klarzustellen, wie gefährlich diese Aktion war. Es hätten auch Menschen ernsthaft verletzt werden können, beispielsweise wenn die Herde in eine Gruppe Spaziergänger oder vor ein Auto oder Motorrad läuft. Auch die Tiere könnten sich ernsthaft in dem unwegsamen Gelände verletzten. Bis Tiere mehrere Kilometer fliehen, müsse schon einiges passieren. Laute Motoren kennen die Tiere. Denn das Tal ist beispielsweise auch bei Motorradfahrern beliebt.
Zunächst hieß es, die Rallye sei in Lüdenscheid gestartet. Die Landwirtin kontaktiert den Lions-Club, der der Veranstalter sein soll. „Sie waren es nicht. Konnten mir aber weiterhelfen. Außerdem haben sie gesagt, dass sie ihre Fahrer zukünftig noch einmal auf so eine Problematik hinweisen“, erzählt die Brenscheiderin. Die Veranstalter der heimischen Rallye seien somit noch einmal sensibilsiert worden, wie die ungewohnten Geräusche auf Tiere wirken und wie sich Fahrer verhalten sollten, wenn eine Herde ins Rennen gerät. „Das war ein wirklich gutes Gespräch. Denn am 7. Juni soll die nächste Rallye hier durchfahren. Aber wir haben gemeinsam besprochen, wie das sicher gehen kann“, erzählt Regina Weustermann. Nämlich, wenn die Fahrzeuge Abstand halten und möglichst leise sind.

Inzwischen habe sie auch den Essener Veranstalter erreicht. Dieser sei nicht ganz so einsichtig gewesen. Man wolle jedoch heute, nachdem alle Schäden dokumentiert und beziffert sind, noch einmal gemeinsam sprechen. „Ich muss erstmal gucken, was bei uns kaputt ist, weiß ich. Aber auf den vielen Kilometern standen ja noch weitere Zäune, Gärten, Äcker und sonstiges. Da wird schon einiges sein“, sagt Regina Weustermann. Auch habe sie Kontakt zum Märkischen Kreis aufgenommen, der Rallyes wie diese genehmigen muss. „Vielleicht kann man ja gewisse Auflagen machen, beispielsweise dass nur in kleineren Gruppen an den Tieren vorbei gefahren wird“, sagt sie.