Krischer, seit drei Jahren Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW, ist viel unterwegs: „Ich mache im Jahr gut 52 Termine quer durchs Land, um mit den Menschen vor Ort zu sprechen“, sagte der Grünen-Politiker. Kämper, beziehungsweise die Fahrer seiner rund 40 Lkw umfassenden Flotte, sind ebenfalls viel unterwegs. Täglich, auf Straßen, die teils marode und teils gar nicht für den Schwerlastverkehr ausgelegt sind. In Halver diskutieren der Minister und der Geschäftsführer der Spedition MLK über Wunsch und Wirklichkeit der politisch proklamierten Verkehrswende – auf Augenhöhe und mit klaren Worten.
Verkehrsinfarkt durch A45-Sperrung
Die seit 2. Dezember 2021 anhaltende Sperrung der A45 bei Lüdenscheid hat seit Jahren weitreichende Folgen. Unter anderem, dass Bundes-, Landes- und kommunale Straßen durch den umgeleiteten Schwerlastverkehr im wahrsten Wortsinn derart belastet werden, dass das Land NRW aktuell wie zukünftig enorme Investitionen tätigen muss, um die ramponierten Strecken wiederherzustellen. Es sei ein Thema, mit dem sich das Ministerium tagtäglich auseinandersetze, wie Oliver Krischer betont. „Denn der Erhalt und die Verbesserung unserer Infrastruktur hat enorme Bedeutung für die gesamte Region Südwestfalen, für ihre Bewohner und ihre Unternehmen.“
Einer von ihnen ist Sebastian Kämper, dessen Spedition MLK an den Standorten Halver und Wipperfürth rund 60 Mitarbeiter beschäftigt und zu dessen Fuhrpark 40 Lkw gehören. „Als die Hiobsbotschaft kam, dass die A45 gesperrt wird, hätte man die parallel verlaufende B54 im Volmetal für den Lkw-Verkehr freigeben müssen – wir zahlen schließlich Maut auf Bundesstraßen“, kritisierte er. Stattdessen müssten Lkw über Land und durch enge Ortsdurchfahrten „gurken“, sagte Kämper, was nicht nur ineffizient sei, sondern die gesamte Infrastruktur zusätzlich belaste. Besonders problematisch sei, dass es auf einigen Ausweichstrecken Brücken gebe, unter denen kein 40-Tonner herfahren könne.

Halveraner Umgehungsstraße war ein Glücksfall
Krischer räumte ein, dass diese Ärgernisse aus unternehmerischer Sicht nachvollziehbar seien, betonte jedoch, man habe sich im Ministerium im Vorfeld der notwendigen Sprengung der Rahmedetalbrücke alle in Frage kommenden Umleitungsstrecken angesehen und hätte dabei darauf geachtet, dass es sich dabei nicht um Straßen handelt, die sich ohnehin schon in einem Sanierungsverfahren befinden.
Sebastian Kämper warf ein, in dieser Hinsicht sei die Halveraner Umgehungsstraße ein Glücksfall: „Nicht auszudenken, wenn der Schwerlastverkehr heute noch über die alten Hauptverkehrsstraßen geleitet werden würde.“ Die Stadt Breckerfeld sei dagegen ein Negativbeispiel – dort leide der enge Innenstadtbereich täglich unter dem Ausweichverkehr. „Zugegebenermaßen war es sehr problematisch, denn natürlich wollte keine Kommune, dass der Lkw-Verkehr über mehrere Jahre durch ihre Stadt rollt“, so der Verkehrsminister. Daher sei es wichtig, dass „wir zukünftig aus dieser Problematik lernen und das belastete Straßennetz so schnell wie möglich und so gut es geht verbessern.“
Brückensanierung in Expressbauweise
Dabei verwies Oliver Krischer auf strukturelle Probleme im ganzen Land: NRW verfügt über etwa 7000 Brücken, von denen, so sagte er, 400 dringend saniert oder – wie im Fall der Rahmedetalbrücke – neu gebaut werden müssen: „Man könnte also ganz klar sagen: Die maroden Brücken sind die Achillesferse der Region. Unser Ziel ist es, diese Brücken in den nächsten zehn Jahren in einen guten Zustand zu bringen. Und wir liegen aktuell sogar vor dem Zeitplan.“
Dabei setze das Ministerium auf sogenannte Expressbauweisen mit vorgefertigten Bauteilen und einer zentralisierten Planung – ein Novum in NRW, wie er erklärte. Fünf zusätzliche Ingenieure habe das Land NRW allein für die Planungen der anstehenden Sanierungsmaßnahmen in der Region Südwestfalen eingestellt. Um Bauprojekte zu beschleunigen, gebe es mittlerweile bei den meisten Vergaben ein Bauzeitfenster. Diese „funktionalen Ausschreibungen“ sollen laut Krischer die Effizienz erhöhen, da sie die ausführenden Unternehmen zur zügigen Fertigstellung anspornen. Fast die Hälfte aller Projekte werde inzwischen so abgewickelt.
Verkehrswende braucht realistische Planung
Spediteur Kämper hakte nach, ob diese beschleunigten Verfahren und Bauweisen auch auf lange Sicht dem Schwerlastverkehr standhalten werden und nannte als Beispiel die Behelfsbrücke in Kierspe an der B236. Krischer betonte, diese sei keine Dauerlösung: Diese werde für die nächsten Jahre lediglich funktional erhalten, bis ein Neubau realisiert ist. „Bei einem kompletten Brückenneubau wird heute mit einer Betriebszeit von rund 50 Jahren geplant.“ Geplant unter Berücksichtigung einer prognostizierten steigenden Verkehrsbelastung.
Denn dass der Verkehr in der Region in Zukunft abnehmen wird, glaubt keiner der beiden Gesprächspartner. Im Gegenteil: Sowohl Krischer als auch Kämper waren sich einig, dass nicht nur die Verkehrsbelastung steigen wird, sondern auch die Belastung für das Straßennetz, beispielsweise durch elektrobetriebene Fahrzeuge: „Elektro-Lkw sind deutlich schwerer als heutige Fahrzeuge“, gab der Spediteur zu bedenken. „Und das geht zusätzlich auf die Substanz der Straßen.“

Finanzielle Verantwortung: Bund oder Land?
Für die nächsten fünf bis sechs Jahre existiere im Verkehrsministerium bereits eine Prioritätenliste für Straßen- und Brückenprojekte, sagte Oliver Krischer. Südwestfalen sei darin prominent vertreten: „Denn Südwestfalen und damit auch der Märkische Kreis ist eine für NRW wichtige Industrieregion.“ Darüber hinaus stelle das Land den Kommunen rund 150 Millionen Euro an Fördergeldern jährlich zur Verfügung, damit sie ihre ramponierten Straßen wiederherstellen können.
Noch nicht gänzlich geklärt sei dagegen die Kostenübernahme, ob Bund oder Land für die durch die Umleitungen beschädigten Straßen aufkommen. Die Rahmedetalbrücke ist eine Autobahnbrücke und damit in Bundeshand – nach Oliver Krischers Verständnis müssten die durch den Umleitungsverkehr entstandenen Folgeschäden also eigentlich vom Bund getragen werden. Der einstige Bundesverkehrsminister Volker Wissing habe dies aber entschieden abgelehnt. Nun gebe es mit Patrick Schnieder einen neuen Verkehrsminister und das Land NRW müsse das Gespräch mit ihm suchen.
Gesichert sei aber zum jetzigen Zeitpunkt, dass das Land NRW für 470 Kilometer Bundes- und Landesstraßen die Kosten der Sanierung übernimmt. Man dürfe den Bund nicht aus seiner Verantwortung entlassen: „Ich erwarte hier auch eine klare Botschaft des Bundes.“
Am Abend traf Oliver Krischer im Rahmen der landesweiten Tournee „Grün in Verantwortung“ auf rund 70 interessierte Bürger im Kulturbahnhof, die mit dem Minister, der Bürgermeisterkandidatin Sina Löschke und Yazgülü Zeybek, Landesvorsitzende der Grünen NRW, ins Gespräch kamen.
Minister-Besuch in Halver – Oliver Krischer zwischen Regenwald, Motorradlärm und ÖPNV | LokalDirekt